Stellungnahme zum Artikel Vorwürfe gegen Polizei: „Witze über Türken und Afrikaner sind Alltag“ (derStandard.at, 22.Juli.2014)
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark möchte im Zusammenhang mit dem am 22. Juli 2014 auf derStandard.at publizierten Artikel Vorwürfe gegen Polizei: „Witze über Türken und Afrikaner sind Alltag“ zum Thema Ethnic Profiling bei der Polizei Stellung nehmen.
Einschlägige Erlebnisse bei einer offiziellen Schulung der Tiroler Polizei zum Umgang mit Verkehrssünderinnen und Verkehrssündern haben einen Tiroler Polizisten veranlasst, öffentlich über „strukturellen Rassismus und systematische Anders behandlung von Ausländern“ bei der Polizei zu sprechen.1 So habe ein Teilnehmer – ein leitender Beamter – gesagt, Abmahnungen bei kleineren Vergehen anstelle einer Strafe gebe es für Türken nicht. Der Polizist berichtet weiter, dass „Witze über Türken und Afrikaner“ Alltag seien. Ebenso würden türkische Jugendliche und „dunkelhäutige Menschen“ bevorzugt überprüft. Er kritisiert die „fehlende ethische und moralische Bildung“ der Polizei; es gebe zwar „ausgezeichnete Schulungen in Wien“, die seien aber freiwillig.
Bei der „bevorzugten Überprüfung“ bestimmter Gruppen durch die Polizei handelt es sich um „Ethnic Profiling“ oder „Racial Profiling“, wenn es bei diesen Gruppen um Menschen geht, denen die Polizei eine nicht-österreichische Herkunft oder nicht-österreichische Staatsangehörigkeit zuschreibt. Merkmale der imaginierten und konstruierten Fremdheit (Hautfarbe, Gesichtszüge, Barttracht, Kopftuch u.a.) sind die Auslöser und bilden die „Verdachtsmomente“ für die polizeiliche Kontrolle. § 35 des Sicherheitspolizeigesetzes regelt die Bedingungen, welche die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu ermächtigen, eine Identitätsfeststellung vorzunehmen. Dabei geht es um dringende Verdachtsmomente und andere Annahmen. Die bereits genannten klassischen imaginierten Fremdheitsmerkmale können per se jedoch keinesfalls einen dringenden Verdacht oder eine der sonstigen Annahmen begründen. Dies kann nur auf Basis eines bestimmten Verhaltens der Person und anhand anderer Anhaltspunkte geschehen. Daher ist Ethnic/Racial Profiling abzulehnen und entspricht auch nicht den gesetzlichen Vorgaben des Sicherheitspolizeigesetzes. Zudem ist es alles andere als vertrauensbildend für das Verhältnis zwischen der Polizei und den von Ethnic/Racial Profiling betroffenen Menschen.
In Österreich ist die häufigste Form des Racial Profilings die „zufällige“ Kontrolle und Durchsuchung „ausländisch aussehender“ Personen. Aus der Studie Lebenssituation von „Schwarzen“ in urbanen Zentren Österreichs2 des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie (ETC) geht hervor, dass 57% der befragten Schwarzen Menschen in Österreich angeben, innerhalb eines Jahres von der Polizei angehalten worden zu sein und sich ausweisen haben zu müssen. Knapp 11% der bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark im Jahr 2013 gemeldeten Fälle, die mit Behörden zu tun haben, betrafen polizeiliche Kontrollen. Dabei handelte es sich um Identitätsfeststellungen gegenüber Personen, von denen die Beamtinnen und Beamten offensichtlich annahmen, dass sie nicht österreichischer Herkunft und – möglicherweise dadurch – einen der im Sicherheitspolizeigesetz genannten Verdachtsmomente erfüllten .3
In einem Urteil des UVS Steiermark aus dem Jahr 2012 wurde der Beschwerdeführerin recht gegeben, die sich dagegen beschwert hatte, dass sie als einzige einer Gruppe von Fahrgästen in einem Zugabteil von der Polizei nach dem Ausweis gefragt worden war. Die Amtshandlung war durch Merkmale ausgelöst worden, die die PolizistInnen zu der Annahme verleitetet hatten, die Beschwerdeführerin sei keine österreichische Staatsbürgerin. Und auch im Fall „Timishev gegen Russland“ (55762/00 und 55974/00) 13.12.2005 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass Behörden Menschen nicht allein auf Basis der ethnischen Herkunft unterschiedlich behandeln dürfen.
1 http://derstandard.at/2000003411167/Vorwuerfe-gegen-Tiroler-Polizei-Witze-ueber-Tuerken-und-Afrikaner-sind. 22.07.2014
2 Simone Philipp und Klaus Starl: „Lebenssituation von „Schwarzen“ in urbanen Zentren Österreichs“. Bestandsaufnahme und Implikationen für nationale, regionale und lokale Menschenrechtspolitiken. Graz 2013.
3 Antidiskriminierungsbericht 2013 . Hrsg. v. Antidiskriminierungsstelle Steiermark. Graz, Juni 2013, S. 46f.