Muttersprachlicher Zusatzunterricht in der bosnischen Sprache
Der Verein der Bosniaken wandte sich mit dem Hinweis an die Antidiskriminierungsstelle Steiermark, dass der muttersprachliche Zusatzunterricht in der bosnischen Sprache zukünftig eingestellt werden solle. Laut Schreiben vom 26.09.2013 des Vereins der Bosniaken habe die Landesregierung beschlossen, dass Kinder bosnischer Herkunft keinen muttersprachlichen Unterricht in Bosnisch mehr erhalten, sondern von Lehrerinnen und Lehrern mit kroatischer oder serbischer Muttersprache mitunterrichtet werden würden.
Wenn wir nur von der Perspektive der Sprachgeschichte ausgehen und dementsprechend darauf Bezug nehmen, dass Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (BKS) auf schriftsprachlichen Varietäten des štokavischen Dialektes beruhen und in Grammatik und Wortschatzes größtenteils übereinstimmen, scheint die Streichung des Bosnisch-Unterrichtes von keiner großen Bedeutung zu sein. Gleichzeitig finden sich dennoch Argumente für die Eigenständigkeit des Bosnischen und damit für die Beibehaltung des Bosnisch-Unterrichts:
Auf sprachlicher Ebene unterscheidet sich die Bosnische Sprache (= Bosniakische Sprache) von der Serbischen und Kroatischen Sprache insofern, als sie Lehnworte aus dem Türkischen, Persischen und Arabischen aufweist.1 Dieser Unterschied ist die Folge der über 500 Jahre dauernden Zugehörigkeit der Bosniakinnen und Bosniaken zum Osmanischen Reich.
Auch auf gesellschaftspolitischer Ebene gab es in den 1990er Jahren Tendenzen, die zu einer getrennten Wahrnehmung des Bosnischen, Kroatischen und Serbischen führte: „Die Gründung der Staaten Kroatien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien und Montenegro zu Beginn der 1990er Jahre rief eine neue gesellschaftspolitische Situation hervor, die auch Änderungen auf sprachlicher Ebene nach sich zog. Kroatien erklärte offiziell das Kroatische zur Staatssprache, und die Bundesrepublik Jugoslawien – das spätere Serbien und Montenegro – benannte ihre Sprache Serbisch (mit der optionalen Verwendung der Bezeichnung Serbokroatisch in bestimmten Situationen). In Bosnien und Herzegowina erklärten Bosniaken (die sich als solche seit den frühen 1990er Jahren titulieren) das Bosnische zur Staatssprache, was bei Kroaten und Serben mit der Begründung, dass diese einzig auf mononationaler (bosniakischer) Grundlage standardisierte Sprache auch eine dementsprechende nationale Bezeichnung (Bosniakisch anstelle des territorial abgeleiteten Namens Bosnisch) besitzen müsse, auf Widerstand stieß.“2
Mit dem Vertrag von Dayton wurde der Krieg in Bosnien-Herzegowina 1995 beendet und die Bosnische Sprache wurde neben der Kroatischen und Serbischen Sprache als eigenständige Sprache anerkannt. Somit wurde allen drei konstituierenden Völkern in Bosnien Herzegowina eine eigenständige Sprache als Amtssprache gleichberechtigt zugestanden.
Aus der Geschichte des Bosnischen wird deutlich, dass es sich hierbei nicht nur um eine linguistische Fragestellung handelt, sondern um die einer Ethnie, eines Volkes.
Auch aus Sicht der Spracherwerbsforschung lässt sich für die Beibehaltung des Bosnisch-Unterrichts für bosnische Kinder argumentieren. Folgt man dem Sprachkapitalmodell von Katarina Brizic,3 sind viele verschiedene auf die Erstsprache bezogene Faktoren für die Qualität des Deutsch-Spracherwerbs von Kindern mit Migrationshintergrund verantwortlich.4 Das Image der Erstsprache der Kinder im Aufnahmeland kann in diesem Zusammenhang wohl auch nicht völlig außer Acht gelassen werden. Dementsprechend steht die Annahme im Raum, dass Kinder, die im Aufnahmeland erleben, dass ihre Erstsprache als Sprache mit einem hohen Image bewertet wird, ihre Erstsprache besser erwerben und dadurch auch die deutsche Sprache besser erwerben. Wenn nun bosnischen Kindern die – zudem immerhin seit 1995 als eigenständige Sprache anerkannte – bosnische Sprache nicht mehr als eigenständige Sprache angeboten wird und stattdessen diese Kinder von Kroatisch-oder Serbischlehrerinnen und -lehrer in Kroatisch oder Serbisch unterrichtet werden, wäre dies dementsprechend ein Indiz für die ungleiche Bewertung des Bosnischen gegenüber dem Kroatischen und Serbischen durch die verantwortliche Behörde.
Vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungrechts wäre die Abschaffung des muttersprachlichen Zusatzunterrichtes in Bosnisch eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft in Verbindung mit der Religion im Bereich der Bildung insofern, als Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch in ihren Muttersprachen unterrichtet werden, Kinder mit bosnischer Muttersprache dagegen nicht.
Anwendbar wären dementsprechend § 32 Abs. 4 des Landes-Gleichbehandlungsgesetzes (L-GBG) für den Pflichtschulbereich und § 30 Abs. 2, Z. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) für Lehranstalten des Bundes.
Wenn wir nur von der Perspektive der Sprachgeschichte ausgehen und dementsprechend darauf Bezug nehmen, dass Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (BKS) auf schriftsprachlichen Varietäten des štokavischen Dialektes beruhen und in Grammatik und Wortschatzes größtenteils übereinstimmen, scheint die Streichung des Bosnisch-Unterrichtes von keiner großen Bedeutung zu sein. Gleichzeitig finden sich dennoch Argumente für die Eigenständigkeit des Bosnischen und damit für die Beibehaltung des Bosnisch-Unterrichts:
Auf sprachlicher Ebene unterscheidet sich die Bosnische Sprache (= Bosniakische Sprache) von der Serbischen und Kroatischen Sprache insofern, als sie Lehnworte aus dem Türkischen, Persischen und Arabischen aufweist.1 Dieser Unterschied ist die Folge der über 500 Jahre dauernden Zugehörigkeit der Bosniakinnen und Bosniaken zum Osmanischen Reich.
Auch auf gesellschaftspolitischer Ebene gab es in den 1990er Jahren Tendenzen, die zu einer getrennten Wahrnehmung des Bosnischen, Kroatischen und Serbischen führte: „Die Gründung der Staaten Kroatien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien und Montenegro zu Beginn der 1990er Jahre rief eine neue gesellschaftspolitische Situation hervor, die auch Änderungen auf sprachlicher Ebene nach sich zog. Kroatien erklärte offiziell das Kroatische zur Staatssprache, und die Bundesrepublik Jugoslawien – das spätere Serbien und Montenegro – benannte ihre Sprache Serbisch (mit der optionalen Verwendung der Bezeichnung Serbokroatisch in bestimmten Situationen). In Bosnien und Herzegowina erklärten Bosniaken (die sich als solche seit den frühen 1990er Jahren titulieren) das Bosnische zur Staatssprache, was bei Kroaten und Serben mit der Begründung, dass diese einzig auf mononationaler (bosniakischer) Grundlage standardisierte Sprache auch eine dementsprechende nationale Bezeichnung (Bosniakisch anstelle des territorial abgeleiteten Namens Bosnisch) besitzen müsse, auf Widerstand stieß.“2
Mit dem Vertrag von Dayton wurde der Krieg in Bosnien-Herzegowina 1995 beendet und die Bosnische Sprache wurde neben der Kroatischen und Serbischen Sprache als eigenständige Sprache anerkannt. Somit wurde allen drei konstituierenden Völkern in Bosnien Herzegowina eine eigenständige Sprache als Amtssprache gleichberechtigt zugestanden.
Aus der Geschichte des Bosnischen wird deutlich, dass es sich hierbei nicht nur um eine linguistische Fragestellung handelt, sondern um die einer Ethnie, eines Volkes.
Auch aus Sicht der Spracherwerbsforschung lässt sich für die Beibehaltung des Bosnisch-Unterrichts für bosnische Kinder argumentieren. Folgt man dem Sprachkapitalmodell von Katarina Brizic,3 sind viele verschiedene auf die Erstsprache bezogene Faktoren für die Qualität des Deutsch-Spracherwerbs von Kindern mit Migrationshintergrund verantwortlich.4 Das Image der Erstsprache der Kinder im Aufnahmeland kann in diesem Zusammenhang wohl auch nicht völlig außer Acht gelassen werden. Dementsprechend steht die Annahme im Raum, dass Kinder, die im Aufnahmeland erleben, dass ihre Erstsprache als Sprache mit einem hohen Image bewertet wird, ihre Erstsprache besser erwerben und dadurch auch die deutsche Sprache besser erwerben. Wenn nun bosnischen Kindern die – zudem immerhin seit 1995 als eigenständige Sprache anerkannte – bosnische Sprache nicht mehr als eigenständige Sprache angeboten wird und stattdessen diese Kinder von Kroatisch-oder Serbischlehrerinnen und -lehrer in Kroatisch oder Serbisch unterrichtet werden, wäre dies dementsprechend ein Indiz für die ungleiche Bewertung des Bosnischen gegenüber dem Kroatischen und Serbischen durch die verantwortliche Behörde.
Vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungrechts wäre die Abschaffung des muttersprachlichen Zusatzunterrichtes in Bosnisch eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft in Verbindung mit der Religion im Bereich der Bildung insofern, als Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch in ihren Muttersprachen unterrichtet werden, Kinder mit bosnischer Muttersprache dagegen nicht.
Anwendbar wären dementsprechend § 32 Abs. 4 des Landes-Gleichbehandlungsgesetzes (L-GBG) für den Pflichtschulbereich und § 30 Abs. 2, Z. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) für Lehranstalten des Bundes.
1 Branko Tosovic, Herausbildung Bosnisch-Bosniakisch, http://www-gewi.uni-graz.at/gralis/Slawistikarium/BKS/Herausbildung_Bosnisch-Bosniakisch.pdf am 03.10.2013.
2 Die Herausbildung des Bosnisch/Kroatisch/Serbischen (BKS) unter Berücksichtigung des Montenegrinischen unter http://www.uni-graz.at/slaw4www_aw_herausbildung_bks.pdf am 04.10.2013.
3 Das geheime Leben der Sprachen. Gesprochene und verschwiegene Sprachen und ihr Einfluss auf den Spracherwerb in der Migration. Münster/New York u.a.: Waxmann 2007.
4 Beispielsweise der Umstand, ob die Erstsprache der Kinder im Herkunftsland Staatssprache oder Schulsprache war und welches Prestige die Erstsprache der Eltern im Herkunftsland hatte.