Forderung, das Konzert der Band Frei.Wild in Graz abzusagen
„Die Musik dient im Rechtsextremismus als wichtiges Propagandamedium. Durch sie können die rechtsextremistische Ideologie und entsprechend unterfütterte Inhalte auf ansprechende Weise transportiert und verbreitet werden.“1 Die Initiative „kein Frei.Wild Konzert in Graz“ fordert die Absage des Konzerts, da die Band Frei.Wild rechtsradikales und deutschnationales Gedankengut in ihren Songtaxten propagiere.2
Auf der einen Seite steht die Vergangenheit des Sängers Philipp Burger als Skinhead sowie seine ehemalige Mitgliedschaft in einer rechtspopulistischen Partei in Südtirol, auf der anderen Seite die öffentlichen Distanzierungen der Band von rechtsextremistischen Gruppierungen.3
Eine oberflächliche Durchsicht der 132 auf der offiziellen Homepage von Frei.Wild veröffentlichten Liedtexten ergibt folgenden Befund:4 Es finden sich …
… heterosexistische Strophen wie im Lied „Böse und gemein“: „Und zudem stinkst du und bleibst deshalb stets allein // Weil du bist ja auch ein Schwein, weil du bist ja auch ein Schwein // Sagst das wär dein Bier, kümmert auch nur dich allein // Doch ich bin böse und gemein, ich bin böse und gemein // Ha – ha Bananen und Zucchini kommen hinten rein // Deshalb bleibst du auch ein Schwein, deshalb bleibst du auch ein Schwein // Du kotzt mich an und ich werde böse und gemein // Ich werd böse und gemein, ich werd böse und gemein.“
… Strophen, die das vermeintlich „Eigene“ gegen das „Andere“ verteidigen, wie im Lied „Das Land der Vollidioten“: „Die höchsten Leute im Staat // Beleidigen Völker ganzer Nationen // Und ihr Trottel wählt Sie wieder // Kreuze werden aus Schulen entfernt, aus Respekt // Vor den andersgläubigen Kindern.“
… Strophen, die Gewalt als probates Mittel für Rache beschreiben, wie im Lied „Rache muss sein“: „Denn heut verhaue ich dich // Schlag dir mein Knie in deine Fresse rein // Heut vermöbel ich dich // Zähne werden fallen durch mich // Und ich tret dir in deine Rippen // Schlag mit dem Ellbogen auf dich ein // Tut mir leid mein Freundchen // Aber Rache muss sein, die muss sein.“
… Strophen, die eine deutsch-nationalistische Position als ethnische Minderheit in Italien wiedergeben, wie im Lied „Wahre Werte“: „Da, wo wir leben, da wo wir stehen // Ist unser Erbe, liegt unser Segen // Heimat heißt Volk, Tradition und Sprache // Für uns Minderheiten eine Herzenssache // Das, was ich meine und jetzt werft ruhig Steine // Wir sind von keinem Menschen die Feinde // Doch wir sind verpflichtet, dies zu bewahren // Unser Tirol gibt´s seit 1200 Jahren.“
Daneben singt Frei.Wild auch über viele andere Themen, wie die Bedrohung durch AIDS infolge sexueller Ausschweifungen in Form von Sextourismus („AIDS“), die Freiheit („Freiheit“), die Arroganz der Ersten Welt gegenüber der Dritten Welt („Dier Welt brennt“), verschmähte Liebe und ausgleichende Gerechtigkeit („Weil du mich nur verarscht hast“), u.v.m.
Besonders fragwürdig erscheint die mutmaßliche oder scheinbare Distanzierung von der extremen Rechten und der extremen Linken im Lied „Schlauer als der Rest“. Unter anderem ist darin zu hören: „Adolf Hitler, Ehrenmann, war ein Teil vom Arschloch-Clan // Deutschland ist ein Nazi-Land, hältst die Dummheit an der Hand […]“
Genau diese Uneindeutigkeit in die eine und die andere Richtung macht eine eindeutige Beurteilung und damit auch rechtliche Schritte gegen die Band Frei.Wild schwierig bis unmöglich. Die Band bewegt sich somit mit ihren Texten in einem rechtlichen Graubereich.
Grundsätzlich ist die Musik von Frei.Wild in Österreich als künstlerisches Schaffen von Art. 17a StGG erfasst und daher im Sinne der Kunstfreiheit auch geschützt. Da die Kunstfreiheit ein vorbehaltloses Grundrecht ist, werden seine Grenzen nur durch den Verstoß gegen andere Gesetze, beispielsweise ein Strafgesetz oder das Verbotsgesetz oder gegen ein anderes Grundrecht definiert. Da die Band nicht eindeutig gegen Gesetze verstößt, genießt sie den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Art 17a StGG.5
Die Geschehnisse rund um die Konzertveranstaltungen von Frei.Wild sind unabhängig von einer rechtlichen Handhabe gegen die Band selbst zu betrachten. So kam es beispielsweise in Deutschland immer wieder zu rassistischen Beschimpfungen, Körperverletzungen und Sprechgesängen mit rechtsextremem Inhalt.6 Vor dem Hintergrund dieses Wissens ergibt sich für die VeranstalterInnen der Konzerte von Frei.Wild zumindest die Verpflichtung, besonderes Augenmerk auf diese Geschehnisse zu legen und sofort dagegen einzuschreiten.
Auch im konkreten Fall stellt sich für die Stadt Graz die Frage, ob es durch die Abhaltung des Konzerts am 10. Mai 2013 neben einem Imageverlust als Menschenrechtsstadt auch zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommen kann. Auch wenn sich die Band gegen Nazis ausspricht, zieht sie die rechte Szene mit ihren Konzerten an. Ausschreitungen sind daher durchaus denkbar.
Es gibt mittlerweile viele Bands, die sich mit ihren Texten in einem rechtlichen Graubereich bewegen und damit ihre rechtslastigen und nationalistischen, aber auch (hetero-)sexistischen und rassistischen Gedanken verbreiten. Dieser Graubereich wird letztlich nur durch Gesetzesänderungen und die Rechtsprechung selbst durchsichtiger und eindeutiger. Zivilgesellschaftlich bedarf es parallel dazu einer möglichst differenzierten öffentlichen Diskussion des Themas „unerwünschte Liedtexte“ und verstärkter Bewusstseinsarbeit.
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark regt die Thematisierung "rechter Musik", sowie verstärkte Bewusstseinsarbeit, und Entwicklung eines Kriterienkatalogs an.
1 Bundesministerium des Inneren Deutschland, Verfassungschutzbericht Rheinland-Pfalz (2011) S. 43. Download vom 12.04.2013 von: http://www.verfassungsschutz.rlp.de/.
2 Vgl.: Initiative „kein Frei.Wild Konzert in Graz“, Offener Brief „Frei.Wild Konzert in der Stadthalle absagen!“ Download vom 12.04.2013 von: http://maydaygraz.wordpress.com/texte-%C2%A0aussendungen/201303-frei-wild-konzert-inder-stadthalle-absagen/.
3 Johannes Radke in Zeit online, Die neue Reichskapelle (10.05.2012); Arnold Tribus in Die neue Südtirolertageszeitung online, Frei.Wild. Nazi? (16.03.2013); Jens Uthoff in TAZ-Tageszeitung, Berliner Konzert von Frei.Wild (27.11.2012).
4 Vgl.: http://songs.frei-wild.net/song.
5 Berka, Lehrbuchverfassungsrecht2 (2008) Rn 1492-1496.
6 Johannes Radke in Zeit online, Die neue Reichskapelle (10.05.2012).