Stellungnahme der Antidiskriminierungsstelle Steiermark
zum Antrag von GR Kurt Hohensinner, MBA vom 10.05.2012 betreffend die Anderung der Voraussetzungen für den Bezug des ,,Persönlichen Budgets gem. § 22a SIBHG"
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark befürwortet und unterstützt den Antrag des Gemeinderates Kurt Hohensinner, MBA.
Zum Punkt des eingeschränkten anspruchsberechtigten bzw. antragsberechtigten Personenkreises nehmen wir wie folgt Stellung:
Zum jetzigen Zeitpunkt sind geschäftsfähige Personen mit Sinnesbeeinträchtigungen und/oder erheblichen Bewegungsbehinderungen ab dem 18. Lebensjahr mit österreichischer Staatsbürgerschaft oder EWR-Staatsbürgerschaft bzw. mit einer Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungsbewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und mit Hauptwohnsitz bzw. gewöhnlichem Aufenthalt in der Steiermark antrags- bzw. anspruchsberechtigt.
Nicht antrags- bzw. anspruchsberechtigt sind somit unter anderem volljährige, nicht geschäftsfähige Personen, die alle anderen erforderlichen Kriterien erfüllen, sowie minderjährige Personen, die alle anderen Kriterien erfüllen.
Üblicherweise übernehmen die gesetzlichen Vertreterlnnen die Vertretung und die Wahrung der lnteressen von Personen, die aufgrund des Alters nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig sind, bzw. die (gerichtlich bestellten) Sachwalterlnnen die Vertretung und die Wahrung der lnteressen von Personen, die aufgrund einer geistigen oder intellektuellen Einschränkung nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig sind.
Weder die gesetzlichen Vertreterlnnen noch die (gerichtlich bestellten) Sachwalterlnnen werden im Zusammenhang mit dem persönlichen Budget als in Vertretung und im lnteresse der vertretenen Personen Antragsberechtigte genannt.
Als Konsequenz dieser Regelung ist es für nicht oder nur beschränkt geschäftsfähige Minderjährige und für nicht geschäftsfähige Erwachsene unmöglich, die Leistung des ,,persönlichen Budgets" gemäß § 22a Stmk. Behindertengesetz in Anspruch zu nehmen bzw. wird die Leistung des,,persönlichen Budgets" gemäß § 22a Stmk. Behindertengesetz seitens des Landes Steiermark nicht oder nur beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen und nicht geschäftsfähigen Erwachsenen nicht zur Verfügung gestellt.
Gemäß § 32 L-GIBG dürfen ,,Organe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände niemanden im Hinblick auf Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf Gesundheit, Soziales, Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum und Bildung wegen der in § 1 genannten Diskriminierungsgründe unmittelbar oder mittelbar diskriminieren. § 1 des L-GIBG nennt neben anderen Diskriminierungsgründen auch das Alter und die Behinderung als vor Ungleichbehandlung geschützte Diskriminierungsgründe.
Durch die Anspruchs- bzw. Antragstellungsregel im Zusammenhang mit dem ,,persönlichen Budget" gem. § 22a Stmk. Behindertengesetz werden Minderjährige aufgrund des Alters sowie nicht geschäftsfähige Erwachsene aufgrund einer Behinderung ohne erkennbare sachliche Begründung schlechter gestellt als geschäftsfähige Volljährige. Dies stellt aus unserer Sicht eine Diskriminierung im Sinne des Gesetzes dar.
Die im Privatgeschäftsbereich übliche Möglichkeit der,,Heilung" dieser Benachteiligung nicht geschäftsfähiger Personen, sich selbst zu berechtigen, mittels der Vertretung durch die gesetzlichen oder gerichtlich bestellten Vertreterlnnen bleibt im Rahmen des ,,persönlichen Budgets" gem. § 22a Stmk. Behindertengesetz ungenutzt.
Zudem verweisen wir auf Artikel 5 der in Verfassungsrang stehenden, direkt anwendbaren UN-Behindertenrechtskonvention, in dem ,,die Vertragsstaaten anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben. Des Weiteren verbieten,,die Vertragsstaaten [...] jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutzvor Diskriminierung, gleichvielauswelchen Gründen." Schließlich wird in Absatz (x) der Präambel zur UN-Behindertenrechtskonvention die Überzeugung der Vertragsstaaten betont, ,,dass die Familie die natürliche Kernzelle der Gesellschaft ist und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat und dass Menschen mit Behinderungen und ihre Familienangehörigen den erforderlichen Schutz und die notwendige Unterstützung erhalten sollen, um es den Familien zu ermöglichen, zum vollen und gleichberechtigten Genuss der Rechte der Menschen mit Behinderungen beizutragen."
Die momentane Regelung des Kreises der Antrags- und Anspruchsberechtigten für das ,,persönliche Budget" gemäß § 22a Stmk. Behindertengesetz steht somit auch im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention.
Graz, 25.06.2012