Stellungnahme hinsichtlich der Problematik einer Inanspruchnahme privater Grundstücke durch Rom*nja

Anlässlich der öffentlichen Debatte¹ ² über die Rechtmäßigkeit und Handhabe einer Beanspruchung von privaten Grundstücken durch Angehörige der Rom*nja, möchte die Antidiskriminierungsstelle Steiermark zu diesem komplexen Thema Stellung nehmen und die Möglichkeit nutzen, um Aspekte hervorzuheben, die in einem erhitzen Diskurs vergleichsweise zu kurz kommen.

Die Bezeichnung Roma umfasst eine Gesamtminderheit, inkludiert aber auch zahlreiche weitere Untergruppen. Mit 12 Millionen Angehörigen bilden Rom*nja die größte Minderheit Europas. Die offizielle Anerkennung als Volksgruppe erfolgte in Österreich am 16. Dezember 1993.³ ⁴

Mangels eines festen Wohnsitzes werden auf Reisestrecken der Rom*nja Stellplätze für Campingwägen eine Notwendigkeit. Fällt die Wahl auf ein privates Grundstück, kann es vor allem in kleineren Orten zu Missfallen und in weiterer Folge zu einer öffentlichen Diskussion führen.

Die Gesetzeslage in Österreich ist nicht in allen Bundesländern gleich geregelt. Während in einigen Bundesländern ein definitives Verbot betreffend das „Wildcampen" besteht, gibt es in der Steiermark keine entsprechende Regelung.

Am Beispiel von Salzburg lässt sich eine mögliche Normierung aufzeigen. Das Campieren außerhalb von Campingplätzen ist nicht grundsätzlich verboten. Der*die Bürgermeister*in hat jedoch die Möglichkeit Einschränkungen auszusprechen, sollten Interessen der Sicherheit, der Gesundheit von Menschen, des Schutzes der örtlichen Gemeinschaft oder ähnliche im Gesetz genannte Interessen verletzt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Gemeindevertretung aus selbigen Gründen Verordnungen zu setzen, die Campieren außerhalb von Campingplätzen nur an bestimmten Orten zulassen.⁵

Ein einheitliches Verbot besteht bundesweit über das Campen im Wald (ohne Erlaubnis des*der Eigentümer*in)⁶ sowie in Nationalparks, Naturschutzgebieten und landwirtschaftlich genutzten Flächen.⁷

Soll ein privates Grundstück genutzt werden, ist auch das mit Erlaubnis des*der Eigentümer*in möglich.

Durch Landesgesetze können, wie bereits ausgeführt, auch Gemeinden ermächtigt werden, Verordnungen zu treffen, die etwa Regelungen über das Campieren außerhalb von Campingplätzen oder das Abstellen von Campingwägen normieren.

Wird doch ohne Erlaubnis auf einem privaten Grundstück ein Lager errichtet, fehlt eine effiziente rechtliche Handhabe. Die Durchführung einer Besitzstörungsklage ist zeitintensiv und auch die Zustellung einer solchen kann zu einem Problem werden.

In Kombination mit der dürftig ausgestalteten Gesetzeslage, besteht in der Praxis ein hohes Konfliktpotential. Spezifischere Regelungen sowie effiziente Werkzeuge im Falle eines Zuwiderhandelns, wären somit vor allem auf lange Sicht wünschenswert, um Klarheit zu schaffen und weitere Konflikte, nicht nur in Bezug auf Rom*nja, zu vermeiden.

Weitere Lösungsansätze lassen sich auch auf Ebene der EU finden. Im Jahr 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission den strategischen Rahmen der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Rom*nja bis 2030. Im Fokus stehen hier Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen sowie drei horizontale Ziele in den Bereichen Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe. Ergänzend erschien im März 2021 eine Empfehlung des Rats der Europäischen Union zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Rom*nja.⁸ Genauer handelt es sich hierbei um freiwillige Mindestverpflichtungen in unterschiedlichsten Bereichen. Diese sollen die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, einen strategischen Rahmen zu entwickeln, um Maßnahmen zur sozialen Inklusion und in weiterer Folge eine generelle Verbesserung der Situation von Rom*nja zu bewirken.

Gefördert werden soll unter anderem ein Zugang zu angemessenem, nicht segregiertem Wohnraum und grundlegenden Diensten. Davon umfasst sind etwa „Maßnahmen, mit denen der Bau und die Instandhaltung von Stellplätzen für Fahrende unterstützt werden".⁹

Auch die OSZE hat einen „Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma und Sinti im OSZE-Gebiet" verfasst¹⁰. Es wird empfohlen, dass Mechanismen und institutionelle Verfahren eingeführt werden, um Rechte an Grund und Boden und sonstige Eigentumsrechte zu klären. Die rechtliche Stellung von Rom*nja und Sitzi*zee, die unter ungeklärten rechtlichen Verhältnissen leben, ist zu bereinigen und zu verbessern. Zudem ist es essentiell Rom*nja und Sinti*zee in die Gestaltung der Wohnraumpolitik sowie in die Errichtung, Sanierung bzw. Erhaltung der für sie bestimmten öffentlichen Wohnungsbauprojekte einzubeziehen.¹¹

Maßnahmen in diesem Bereich sind nicht nur zur Vermeidung von Konflikten von großer praktischer Bedeutung. Herumreisen, sich in Gemeinschaft fortbewegen und leben, von einem Ort zum anderen ziehen: all das sind Güter, die tief in der Kultur der Roma verankert sind. Ein gänzliches Abstellverbot, aber auch mangelnde Alternativen würden eine ganze Volksgruppe in ihrer jahrhundertalten Lebensweise und den dadurch entstandenen Bräuchen und Sitten drastisch einschränken.

1 https://grazer.at/story/de/roma-karawane-sorgt-fuer-aerger-in-graz-umgebung-RwfaBB7H/
2 https://www.krone.at/3456029
3 https://www.politik-lernen.at/dl/ppsuJMJKomlmMJqx4kJK/pa_2019_8_Roma_in_Oesterreich_web_pdf
4 https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/policies/justice-and-fundamental-rights/combatting-discrimination/roma-eu/roma-equality-inclusion-and-participation-eu_en#:~:text=The%2520umbrella-term%2520%25E2%2580%2598Roma%25E2%2580%2599%2520encompasses%2520diverse%2520groups%252C%2520including%2520Roma%252C,policy%2520documents%2520and%2520discussions%2520commonly%2520employ%2520this%2520terminology
5 https://www.oesterreich.gv.at/themen/reisen_und_freizeit/freizeit-in-der-natur/campen/Seite.3390006.html
6 https://www.oesterreich.gv.at/themen/reisen_und_freizeit/freizeit-in-der-natur/campen.html
7 https://www.campingclub.at/freies_stehen_in_europa
8 https://www.bmbwf.gv.at/Themen/euint/ebr/nwst/roma.html
9 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.C_.2021.093.01.0001.01.DEU&toc=OJ%3AC%3A2021%3A093%3AFULL
10 https://www.osce.org/de/roma-and-sinti
11 OSZE, Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma und Sinti im OSZE-Gebiet, Punkt 43 und 44.