Bericht der Antidiskriminierungsstelle Steiermark
Antisemitismus, Homophobie und Islamfeindlichkeit als Herausforderung der Zukunft
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark veröffentlicht die jüngsten Zahlen rund um Diskriminierung in der Steiermark sowie die Statistik von „BanHate", der ersten mobilen App gegen Hasspostings. Im Fokus stehen Homophobie, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Leiterin Grabovac: „Moralische Barriere bei Diskriminierung ist gefallen."
Das vergangene Jahr war für die Antidiskriminierungsstelle Steiermark ein besonderes: 2017 wurden insgesamt 2139 Anfragen und Meldungen an die Stelle gerichtet - beinahe eine Verdreifachung (+272%) im Vergleich zum Jahr 2016. Maßgeblich verantwortlich für diesen Anstieg war die Einführung von "BanHate", der ersten mobilen App, mit der Hasspostings plattformunabhängig auf sozialen Netzwerken und anderen Medien gemeldet werden können. Zu den 1500 Meldungen, die im Jahr 2017 über "BanHate" aus ganz Österreich und vereinzelt auch aus Deutschland an die Stelle herangetragen wurden, sind es vor allem aber die 639 regionalen und direkt an die Antidiskriminierungsstelle gerichteten Anfragen, die eine Einschätzung zur Diskriminierung in der Steiermark möglich machen.
Die häufigsten Diskriminierungsgründe sind auch im aktuellen Bericht die ethnische Herkunft (40,1 Prozent), die Religion (13,5 Prozent) und die soziale Herkunft (10,7 Prozent). Aufgeteilt auf die Lebensbereiche bedeutet das, dass Diskriminierungen in der Steiermark am häufigsten im Alltag passieren (35 Prozent der gemeldeten Fälle), gefolgt von Behörde (23,3 Prozent) und Internet (10,3 Prozent). "Beim Lebensbereich Internet können wir aber tatsächlich von einem viel höheren Prozentsatz ausgehen. Hier wurden viele Fälle aus der Steiermark direkt über die BanHate-App gemeldet und sind somit aus der Statistik herausgefallen", sagt Daniela Grabovac, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark.
Auffallend ist ebenso, dass Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Homophobie wieder ungenierter geäußert werden. Grabovac: "Das erleben wir in den sozialen Medien, aber auch in allen anderen Lebensbereichen. Hier ist eine moralische Barriere gefallen. Diskriminierungen werden ganz bewusst ausgesprochen." Das bedingt laut Grabovac auch eine extreme Polarisierung der Gesellschaft. "Es scheint keine Mitte mehr zu geben. Entweder man ist für die eine Seite oder für die andere. Diese Entzweiung ist gefährlich für ein funktionierendes Miteinander unserer Gesellschaft."
Besonders im Internet ist dieser Umstand in seiner stärksten Ausprägung zu erkennen, wie Zahlen aus der BanHate-App belegen: 40 Prozent der Meldungen, die innerhalb eines Jahres über die App einlangten, wurden aufgrund von Berührungen mit dem Verbotsgesetz an das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung übermittelt. Antisemitismus scheint im öffentlichen Bereich wieder salonfähig geworden zu sein: Viele der Meldungen beinhalten eine Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust oder es wurden Methoden und Einrichtungen des Nationalsozialismus herbeigesehnt.
Die Erfahrungen der Antidiskriminierungsstelle Steiermark decken sich mit den jüngsten Einschätzungen von Ariel Muzicant, dem Vizepräsidenten des Europäischen Jüdischen Kongresses: "Die Situation der Juden in Europa ist schlimm und wir sind aufgefordert etwas dagegen zu unternehmen. Hass, der jetzt geschürt wird, führt am Ende immer zu einer Katastrophe. Das ist kein jüdisches Problem, es ist ein Problem Europas."
Auffallend ist auch eine Steigerung der Islamfeindlichkeit, was sich in den Zahlen der aktuellen Statistik verdeutlicht: 53,6 Prozent aller gemeldeten Fälle sind auf Diskriminierungen aufgrund ethnischer Herkunft sowie Religion zurückzuführen. "Hier handelt es sich oft um Islamfeindlichkeit sowie um antimuslimischen Rassismus. Betroffen sind nicht nur gläubige Musliminnen und Muslime, sondern alle, denen aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale, ihrer Herkunft oder Kultur ein islamischer Glaube unterstellt wird", sagt Grabovac. Opfer von antimuslimischem Rassismus sind fast ausschließlich Frauen, wie die österreichische "Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und Antimuslimischer Rassismus" feststellt: In 98 Prozent der Vorfälle im Jahr 2017 wurden demnach Frauen attackiert. Zurückzuführen sei das vor allem auf den Kleidungsstil, der sie für Täterinnen und Täter als Musliminnen erkennbar macht.
"Ein weiteres Schwerpunktthema ist Homophobie", so Grabovac. "Dass es in Österreich kaum aktuelle Erhebungen zu Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gibt, ist wohl symptomatisch für die relativ geringe Gewichtung, die dieser Art der Ausgrenzung in Österreich immer noch geschenkt wird."
Insgesamt sind die aktuellen Zahlen zur Diskriminierung in der Steiermark im nationalen und internationalen Vergleich als durchschnittlicher Wert zu sehen. Grabovac: "Jeder Einzelfall ist natürlich einer zu viel. Diskriminierungen gibt es aber in jeder Gesellschaft. Es zeugt von einer reifen und offenen Gesellschaft, die das Melden von Diskriminierung zulässt und sich damit auseinandersetzt." Internationale Vergleiche mit Ländern, die kein Monitoring wie die Steiermark haben, zeigen, dass das Ausmaß an Diskriminierung deutlich höher ist. "Das Land Steiermark und die Stadt Graz haben im Jahr 2012 mit großem Weitblick agiert, als sie diese Stelle eingerichtet haben", so Grabovac.
Landesrätin Doris Kampus: Strafrechtliche Konsequenzen sind unverzichtbar
Der Bericht der Antidiskriminierungsstelle zeigt eine deutliche Zunahme antisemitisch motivierter Zwischenfälle, auch in den Sozialen Medien. Ich verurteile das entschieden, insbesondere vor dem Hintergrund unserer historischer Verantwortung", betont Soziallandesrätin Doris Kampus. Sie verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Auswertung der über die APP "Ban hate" gemeldeten Verstöße: "Vier von zehn Meldungen beziehen sich auf einen Sachverhalt im Zusammenhang mit dem NS-Wiede betätigungsgesetz." Strafrechtliche Konsequenzen, aber auch politische und historische Aufklärung seien unverzichtbar, um beispielsweise gegen Holocaust-Leugner oder NS-Sympathisanten und andere Formen von Extremismus vorzugehen. Insgesamt unterstreicht Kampus, dass weder der öffentliche Raum noch die Sozialen Medien rechtsfreie Räume sind. Daher wird das Sozialressort des Landes Steiermark gerade seine Initiativen gegen "Hass im Netz" und andere derartige Phänomene verstärken. "Die Antidiskriminierungsstelle ist dabei ein wichtiger und wirksamer Partner, sowohl in der Hilfe für Opfer von Diskriminierung als auch in der Präventionsarbeit."
Stadtrat Kurt Hohensinner: Steigendem Antisemitismus entschieden entgegentreten
„Die Arten der Diskriminierungsfälle sind nicht nur vielfältig, sondern wandeln sich auch laufend. Neben bekannten Szenarien wie Rassismus im Alltag oder Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts gewinnen neue Herausforderungen vor allem in Zusammenhang mit den Sozialen Medien immer mehr an Bedeutung. Mit der BanHate-App hat die Antidiskriminierungsstelle in diesem Bereich ein umfangreiches Service etabliert, dessen Nutzungszahlen die Erwartungen weit übertroffen haben. Bei der damaligen Präsentation habe ich mich auch für eine Klarnamenpflicht eingesetzt. Deshalb freue ich mich, dass die Bundesregierung mit dem digitalen Vermummungsverbot einen wichtigen Schritt in diese Richtung setzt. Auch offline sehen wir leider immer wieder negative Entwicklungen, die es zu bewältigen gilt. Einem steigenden Antisemitismus, der auch von migrantischen Communities ausgeht, müssen wir entschieden entgegentreten. Wir tun dies gemeinsam mit der Antidiskriminierungsstelle, aber auch durch diverse präventive Angebote in der Schule. So laden wir etwa alle 4. Klassen der Grazer Volksschulen in diesem Jahr zu Gratis-Führungen in die Grazer Synagoge ein. Gerade in Zeiten zahlreicher neuer Herausforderungen müssen wir uns verstärkt und jeden Tag aufs Neue gemeinsam um ein funktionierendes Miteinander bemühen. Ein verlässlicher Partner ist dabei die Antidiskriminierungsstelle Steiermark, die seit sechs Jahren einen wesentlichen Beitrag liefert, um jeder Form von Diskriminierung entgegenzutreten - egal ob gegen zuziehende Menschen, aber auch zwischen und in umgekehrter Form gegen Österreicherinnen und Österreicher."
Statistik 2017
639 Anfragen im Jahr 2017 - davon 527 Fälle, in dennen die Antidiskriminierungsstelle intervenierte
265 Frauen und 262 Männer