Stellungnahme zur abgelehnten Wiedereinführung einer Unabhängigen Frauenbeauftragten
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark erlaubt sich, anlässlich der Diskussion über die im Grazer Gemeinderat abgelehnte Wiedereinführung einer Unabhängigen Frauenbeauftragten, folgende Stellungnahme abzugeben.
Die Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen sollte ab dem Jahr 2015 die Funktion der ehemaligen unabhängigen Frauenbeauftragten wahrnehmen. Diese Reform der damaligen Frauenstadträtin Martina Schröck erfolgte auf Grundlage einer Evaluierung der Frauenvereine durch eine unabhängige Kommission der Donau-Uni Krems.
Dass der Vertrag der Ombudsfrau der Grazer Ombudsstelle für Mädchen und Frauen Anfang 2018 auszulaufen drohte, brachte eine Diskussion rund um die Interessensvertretung der Grazer Frauen und der frauenpolitischen Belange ins Rollen.1
Seit 2015 wird die Abschaffung der Unabhängigen Frauenbeauftragten kritisiert und das Angebot der Ombudsfrau der Grazer Ombudsstelle für Mädchen und Frauen wiederkehrend als nicht ausreichend ausgestaltet bewertet.
Die Wichtigkeit liegt wohl aber auf der Betonung der notwendigen Koexistenz der Unabhängigen Frauenbeauftragten einerseits und der Ombudsstelle für Mädchen und Frauen andererseits.
Historischer Abriss zur Frauenpolitik und spezifischen Einrichtungen in Österreich und Graz:
Die aktive Frauenpolitik in Österreich wurde gewissermaßen durch die „Neue Frauenbewegung", entstanden im Rahmen der 1968er Revolution, angekurbelt. Dieser Zeitpunkt wird als Aufbruchspunkt der starren, männerdominierten Politik angesehen.
Bestimmt wurde die frauenpolitische Arbeit in den 1970er Jahren von der Aktion Unabhängiger Frauen (AUF).
Der Neuen Frauenbewegung gilt es, zahlreiche revolutionäre Veränderungen, wie die bis heute geltende Fristenregelung, zu verdanken. Zu dieser Zeit wurden erstmals die vorherrschenden Machtverhältnisse in Familien thematisiert und im Sinne dieser reformierenden Debatten, im Wege der Familienrechtsreform 1975-1978, das patriarchalische Familiensystem, durch ein „demokratisch-partnerschaftliches System" ersetzt. Durch diese Reform wurden wichtige Weichen für die Gleichbehandlung der Geschlechter gestellt.2
1986 folgte der damalige Bürgermeister Alfred Stingl (SPÖ) der Idee Deutschlands und berief in Graz die erste Unabhängige Frauenbeauftragte Österreichs, Grete Schurz, ein.
Über 25 Jahre wurden Frauen in diffizilen Lebenslagen beraten, in ihren Anliegen durch die Bereitstellung von wertvollen Informationen, die Vermittlung an relevante Stellen und Organisationen unterstützt und in ihrer gleichberechtigten Position in unterschiedlichen Sektoren, wie dem Ausbildungssektor oder Arbeitssektor, gestärkt.3
Um die Weisungsfreiheit und die Neubesetzung der Unabhängigen Frauenbeauftragten der Stadt Graz gewährleisten zu können, übernahm der Grazer Frauenrat (Verein zur Unterstützung frauenpolitischer Anliegen) 2009 die Trägerinnenschaft der Unabhängigen Frauenbeauftragten der Stadt Graz.4
Als der auf fünf Jahre gesicherte Vertrag 2014 auslief, wurde auf politischer Ebene entschieden, die Einrichtung der Unabhängigen Frauenbeauftragten einzustellen und die Aufgabenbereiche der ehemaligen Frauenbeauftragten teilweise auf die Grazer Ombudsstelle für Mädchen und Frauen zu übertragen.5
Im Jahr 2018 entflammte eine neue Diskussion. Politisch wurde eine Rückkehr der Frauenbeauftragten und das Auslaufen der Ombudsstelle für Mädchen und Frauen diskutiert, folgend aber doch abgelehnt und die Verlängerung der Ombudsstelle beschlossen.6
Aktuelle Diskussion und die Disparität der Einrichtungen:
Unabhängige Frauenbeauftragte:
Gerade der historische Abriss legt offensichtlich dar, dass die Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz wichtige Funktionen wahrgenommen hat.
Wichtige Aufgabenbereiche waren neben der Beratung auch das Fungieren als Schnittstelle zwischen Bürgerinnen, Verwaltung und Politik, Öffentlichkeitsarbeit, sowie später auch die Gründung des Vereins „Grazer Frauenrat" und dessen Geschäftsführung.7
Der unermüdliche Einsatz der Frauenbeauftragten führte zu äußerst wertvollen strukturellen und gesetzlichen Veränderungen für Grazer Frauen. Beispielhaft soll an dieser Stelle auf die Schaffung von Richtlinien zur bevorzugten Vergabe von Gemeindewohnungen an Alleinerziehende, die Förderung der Ausbildung von Gynäkologinnen an der Universitätsklinik Graz oder das rege Engagement für die Zugänglichkeit männerdominierter Berufe für Frauen hingewiesen werden.8
Besonders die strukturelle und politische Arbeit und die Stärkung der Emanzipation und der aktiven Frauenpolitik durch die Unabhängige Frauenbeauftragte gilt es hervorzuheben. Ebenso führte die Schaffung eines Forums für Fraueninitiativen und -Einrichtungen im bis heute bestehenden Frauenrat (dieser darf zahlreiche Frauenorganisationen zu seinen Mitgliedern zählen) zu einer profitablen Vernetzung dieser Organisationen.9
Die Besonderheit der Unabhängigen Frauenbeauftragten zeigt sich also auch im Zusammenhang mit deren Vertretungsrolle für alle Grazer Frauen und frauenspezifische Vereine. Auf demokratiepolitischer Ebene wurden Denkanstöße und kritische Blickwinkel in frauenthematisch relevante Debatten eingebracht.
Dies untermauernd kann man die vielfältigen Initiativen und Bemühungen des Frauenrates und der damaligen Unabhängigen Frauenbeauftragten, Maggie Jansenberger, dem zusammenfassenden Bericht der letzten Funktionsperiode von 2009 bis 2014 entnehmen.
So wurden wertvolle Stellungnahmen, Empfehlungen und Expertisen zu gesetzlichen Regelungen und Gesetzesänderungen, die Frauen, Mütter und Opfer sexueller Gewalt betreffen, abgegeben sowie vielfach und kontinuierlich Öffentlichkeitsarbeit für frauenpolitische Anliegen betrieben. Zahlreiche Veranstaltungen, Kooperationen und Projekte gehen auf diese Periode zurück und haben dafür gesorgt, dass Frauenrechte gefördert werden, und sowohl der politische als auch der gesellschaftliche Diskurs diesbezüglich angeregt wird. Ein wichtiger Meilenstein war auch die Gründung der „Watchgroup gegen sexistische Werbung", die auf eine Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung in diesem Sektor hinarbeitet und gegen manifestierte Männer- bzw. Frauenbilder in Werbespots ankämpft.10
Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen:
Wesentlich ist jedoch ebenso die Arbeit der Grazer Ombudsstelle für Mädchen und Frauen.
Die Ombudsfrau bietet seit ihrer Einrichtung für den privaten, wie auch öffentlichen Bereich Informationen, Beratung und Unterstützung für Grazer Mädchen und Frauen in gleichbehandlungsrechtlichen Fragen an und versteht sich ebenso als Vermittlungsstelle und Interessensvertretung vor öffentlichen Stellen.11 Ebenso sieht die Ombudsfrau es als ihre Aufgabe, Missstände aufzuzeigen, Empfehlungen sowie konkrete Maßnahmen vorzuschlagen.
Allen Frauen in Graz wird die Möglichkeit geboten, das Beratungsangebot der Ombudsfrau in Anspruch zu nehmen. Der Fokus wird auf die beratende Tätigkeit gelegt, wobei die Fälle breitgefächert die unterschiedlichsten Themenbereiche umfassen. Wichtige Unterstützung erhalten Mädchen und Frauen im Zusammenhang mit Gewalt im sozialen Umfeld, Frauenarmut, Scheidungsrecht, Obsorgestreitigkeiten oder Arbeitsrecht.12
Zum Auftrag der Grazer Ombudsstelle zählen auch die Analyse struktureller Problemstellungen und die Lieferung von Vorschlägen für Umsetzungsmaßnahmen an Politik und Verwaltung.13
Während der überwiegende Teil der im Zeitraum von 2015 - 2016 insgesamt 133 durchgeführten Beratungen den Bereich „Gewalt im sozialen Umfeld" betraf, war im folgenden Tätigkeitszeitraum, die „Arbeitssuche" prioritäres Problemfeld der 143 durchgeführten Beratungen.
Auf diesen Themenbereich war auch die Mehrheit der Beratungstätigkeiten im Tätigkeitszeitraum 2017 - 2018 gestützt. Insgesamt konnte mit 183 durchgeführten Beratungen ein rasanter Anstieg der in Anspruch genommenen Beratungen festgestellt werden14, was die Wichtigkeit des Beratungsangebots der Ombudsfrau darlegt und zeigt, dass dieses auch tatsächlich in Anspruch genommen wird.
Das Aufzeigen der beinahe historisch begründeten Errungenschaften der Unabhängigen Frauenbeauftragten im Zusammenhang mit der Grazer Frauenpolitik zeigt aber, dass die Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen, trotz deren maßgeblichen Relevanz bei der Interessensvertretung und Beratung von Grazerinnen, das Amt der unabhängigen Frauenbeauftragten keineswegs ersetzen kann. So legen beide Stellen in nachvollziehbarer Weise ihren Fokus auf unterschiedliche Angebote und Themenbereiche.
Um gerade in Hinblick auf die geleisteten Errungenschaften und Hilfestellungen der beiden Einrichtungen aus emanzipatorischer Sicht einen fatalen Rückschritt zu vermeiden, müssen die beiden Anlaufstellen für Grazerinnen parallel und kooperierend bestehen dürfen.
Nur durch die Koexistenz beider Stellen und die Wiedereinführung der Unabhängigen Frauenbeauftragten, kann in vollem Ausmaß sichergestellt werden, dass den Interessen von Frauen und Mädchen innerhalb der Grazer Stadtpolitik und Gesellschaft in Hinblick auf Gleichberechtigung und im Sinne unseres modernen Zeitgeists, in angemessenem Maße entsprochen wird.
Um die mögliche Stagnation in wichtigen, emanzipatorischen Themen verhindert zu wissen, muss den Rechten und dem Gehör von Frauen und Mädchen in Graz auch auf politischer Ebene und Verwaltungsebene wieder mehr Gehör geschenkt werden.
Die Unabhängige Frauenbeauftragte sollte als übergeordnete Stelle fungieren und als solche auf wesentliche gesellschaftspolitische Zusammenhänge aufmerksam machen und auf wissenschaftlicher, wie auf politischer Ebene frauenspezifische Anliegen forcieren.
Die Unabhängige Frauenbeauftragte kann dabei, in Zusammenarbeit mit der Ombudsfrau, als Schnittstelle zwischen den Bürgerinnen, der Politik und der Verwaltung fungieren und aktiv für Veränderung und den notwendigen gesellschaftlichen Wandel sorgen.
Die Bestrebung einer zukunftsorientierten und qualitativ hochwertigen Stadtpolitik ist mit Sicherheit die stetige Weiterentwicklung und Plastizität in sämtlichen Tätigkeitsfeldern.
1 DerStandard - red/APA, Umstrittene Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen besetzt, https://derstandard.at/2000011001678/Umstrittene-Ombudsstelle-fuer-Grazer-Maedchen-und-Frauen-besetzt (abgerufen am 08.05.2018); Kleine Zeitung - Hubmann, Empörung nach Schröck-Plänen, http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/4593373/FRAUENPOLITIK_Empoerung-nach-SchroeckPlaenen (abgerufen am 08.05.2018).
2 Strauss, Feministische Wahlprüfsteine für die Stadt Graz und das Land Steiermark, 2012 9 ff.
3 Strauss, Feministische Wahlprüfsteine 24; Grazer Frauenrat, Aufgaben https://grazerfrauenrat.at/fb/frauenbeauftragte/aufgaben (abgerufen am 07.05.2018).
4 Grazer Frauenrat, Aufgaben https://grazerfrauenrat.at/fb/frauenbeauftragte/aufgaben (abgerufen am 07.05.2018); Grazer Frauenrat, Geschichte https://grazerfrauenrat.at/fb/frauenbeauftragte/die-geschichte-des-grazer-frauenrats (abgerufen am 07.05.2018).
5 DerStandard - red/APA, Umstrittene „Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen besetzt https://derstandard.at/2000011001678/Umstrittene-Ombudsstelle-fuer-Grazer-Maedchen-und-Frauen-besetzt (abgerufen am 07.05.2018).
6 Kleine Zeitung, Frauenpolitik: Schwarz-Blau schafft in Graz Tatsachen, http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5373659/Demo-in-der-Innenstadt_Frauenpolitik_SchwarzBlau-schafft-in-Graz (abgerufen am 08.05.2018).
7 Grazer Frauenrat, Aufgaben https://grazerfrauenrat.at/fb/frauenbeauftragte/aufgaben (abgerufen am 07.05.2018); vgl. Strauss, Feministische Wahlprüfsteine für die Stadt Graz und das Land Steiermark, 2012 26.
8 Strauss, Feministische Wahlprüfsteine für die Stadt Graz und das Land Steiermark, 2012 25 f.
9 Vgl. auch Strauss, Feministische Wahlprüfsteine 26; Grazer Frauenrat, Mitglieder https://grazerfrauenrat.at/fb/frauenrat/mitglieder (abgerufen am 07.05.2018).
10 Grazer Frauenrat - Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz, Keine Tat ohne Frauenrat: Stoppt sexistische Werbung, https://www.grazerfrauenrat.at/fb/sites/default/files/dokumente/2009-2014.pdf (abgerufen am 08.05.2018).
11 Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen, Über uns http://www.frauenombudsstelle-graz.at/Ueber_uns (abgerufen am 07.05.2018).
12 Vgl. Steiermark.orf.at, Ein Jahr Ombudsstelle für Frauen und Mädchen, http://steiermark.orf.at/news/stories/2768000/ (abgerufen am 07.05.2018).
13 Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen, Bericht Tätigkeitszeitraum 2016 - 2017, http://www.frauenombudsstelle-graz.at/data/_uploaded/file/Bericht%20OSt%202016_17_Final.pdf (6, abgerufen am 07.05.2018).
14 Ombudsstelle für Grazer Mädchen und Frauen, Bericht Tätigkeitszeitraum 2017- 2018, http://www.frauenombudsstelle-graz.at/data/_uploaded/file/Bericht%202018%20Ombudsstelle%20Grazer%20M%C3%A4dchen%20und%20Frauen.pdf (10 ff, abgerufen am 07.05.2018).