Aktueller Bericht der Antidiskriminierungsstelle Steiermark mit neuem Hoch an gemeldeten Fällen
Alte Menschen sind im Gleichbehandlungsgesetz nicht ausreichend geschützt
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark veröffentlicht im Zuge der Präsentation des Jahresberichts 2016 auch eine Statistik der vergangenen 5 Jahre. Die Zahlen zeigen: Alter als Diskriminierungsmerkmal hat sich in der Steiermark verfestigt. Insgesamt behandelte die Stelle im Jahr 2016 so viele Fälle von Diskriminierung wie noch nie.
Erneut eine Steigerung an gemeldeten und behandelten Fällen zeigt der Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, der am Dienstag gemeinsam mit der steirischen Soziallandesrätin Doris Kampus sowie dem Grazer Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner vorgestellt wurde: Insgesamt 787 Anfragen erreichten im Jahr 2016 die Antidiskriminierungsstelle. Davon behandelt wurden 702 Fälle. Im Vergleich zum Jahr 2015 ist das eine Steigerung der Anfragen um 11 Prozent sowie eine Steigerung der behandelten Fälle um 12 Prozent.
Das aktuelle Hoch an gemeldeten Fällen bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass in der Steiermark immer häufiger diskriminiert wird. "Das wäre ein falscher Schluss. Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt ein Problembewusstsein, dem man sich in der Steiermark stellt. Dass sich jedes Jahr mehr Menschen an uns wenden, zeugt von einer reifen und offenen Gesellschaft, die das Melden von Diskriminierung zulässt und sich damit auseinandersetzt", sagt Daniela Grabovac, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark.
2016 waren die häufigsten Gründe für Diskriminierung in der Steiermark die ethnische Herkunft (38,18%), die Religion (15,19%) sowie die soziale Herkunft (8,26%). Auf den Punkt Mehrfachdiskriminierung entfielen im vergangenen Jahr 12,68% der Fälle. Im Vergleich zu den Vorjahren hält sich das Diskriminierungsmerkmal der ethnischen Herkunft konstant, Religion als Diskriminierungsgrund ist im Steigen (plus 21% im Vegleich zum Jahr 2015).
Eine Tendenz, die sich in ganz Europa zeigt, wie vergangene Woche nach einem Bericht der europäischen Grundrechteagentur auch die Europäische Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Vera Jourová, feststellte: "Diskriminierung von Muslimen ist zu weit verbreitet. Jetzt ist es unsere Pflicht, auf europäischer wie nationaler und lokaler Ebene dafür zu sorgen, dass Maßnahmen gegen Diskriminierung eingehalten werden und die muslimische Gemeinschaft der Polizei vertrauen kann."
Altersdiskriminierung: Phänomen der vergangenen 5 Jahre
Im Zuge der Präsentation des Jahresberichts 2016 veröffenlichte die Antidiskriminierungsstelle Steiermark auch eine zusammengefasste Statistik der vergangenen fünf Jahre. Von 2012 bis 2016 wurden demnach 2747 Fälle behandelt, davon waren zu 46% Frauen betroffen und zu 54% Männer.
Mit 7,6 Prozent aller Fälle hat sich in den vergangenen fünf Jahren das Alter als Diskriminierungsgrund in der Statistik verfestigt. In den Beschwerdefällen, die an die Antidiskriminierungsstelle Steiermark herangetragen werden, geht es etwa um Konto-Überziehungsrahmen, die mit Pensionsantritt auf Null gestellt werden, um Pensionistinnen und Pensionisten, die von Ratenangeboten ausgeschlossen werden oder denen ein Kredit aufgrund des Alters verweigert wird, sowie um Versicherungen, die Personen bereits ab einem Alter von 40 Jahren nicht mehr aufnehmen.
Ein Problem, das in Zukunft immer mehr Menschen treffen kann: Laut Statistik Austria wächst die Zahl der Älteren (65+) in Österreich in den kommenden Jahrzehnten von derzeit 1,5 Millionen auf 2,6 Millionen Personen (2050). Grabovac: "Diskriminierungserfahrungen älterer Menschen sind leider keine Seltenheit. Es wird deutlich, dass es immer mehr Menschen betrifft." Aus diesem Grund empfiehlt die Antidiskriminierungsstelle Steiermark eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes im III. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes, insbesondere für das Merkmal Alter, da bis dato nur die Merkmale Geschlecht und Ethnie im Dienstleistungsbereich geschützt sind.
Um die Sensibilisierung der Menschen in der Steiermark für die unterschiedlichen Arten von Diskriminierung weiter zu erhöhen, präsentierte die Antidiskriminierungsstelle anlässlich ihres 5-Jahre-Jubiläums 177 Persönlichkeiten, die ab sofort als Botschafterinnen und Botschafter öffentlich gegen Diskriminierung auftreten werden.
Social-Media-Kampagne startet
Neben einem Folder mit allen Botschaften, der dem Jahresbericht beigelegt ist, startet noch im Herbst eine Social-Media-Kampagne: Bis Ende 2018 werden alle 177 Botschafterinnen und Botschafter über ihre Kanäle sowie über die Facebookseite der Antidiskriminierungsstelle Steiermark www.facebook.at/zeigdeingesicht öffentlich gegen Diskriminierung auftreten und somit ein sehr großes Publikum erreichen. Über die Internetseite www.zeigdeingesicht.at können zudem alle Menschen aus der Bevölkerung ebenfalls ihr Gesicht gegen Diskriminierung zeigen.
Grabovac: "Sensibilisierung und Öffentlichmachen von Diskriminierung hat eine enorme Bedeutung. Wir wollen auch weiterhin ein Sprachrohr sein für jene Menschen, die selbst nicht laut genug sein können oder wollen. Dieses Ziel wird uns auch die nächsten Jahre antreiben."
Landesrätin Doris Kampus: Hinschauen statt wegschauen
"Die ethnische Herkunft ist der Hauptgrund dafür, dass Menschen diskriminiert werden. Das geht aus diesem Bericht klar hervor. Gerade Politiker sollten sich daher ihrer Vorbild-Wirkung bewusst sein und sich durch den derzeitigen Wahlkampf nicht dazu verleiten lassen, Inländer gegen Ausländer auszuspielen. Bei der Bevölkerung ist die Sensibilität bei dieser Problematik gestiegen, denn Fälle von Diskriminierung werden als solche stärker wahrgenommen und öfter gemeldet. Die Devise im Kampf gegen Diskriminierung im Alltag kann daher nur lauten: Hinschauen statt wegschauen!"
Stadtrat Kurt Hohensinner: Diskriminierung hat sich gewandelt
"Die Arten der Diskriminierungsfälle sind nicht nur vielfältig, sondern haben sich im Laufe der Zeit auch gewandelt. Neben bekannten Szenarien, wie Rassismus im Alltag oder Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, gewinnen neue Herausforderungen, vor allem in Zusammenhang mit den Sozialen Medien, besonders Hasspostings und Hetze, immer mehr an Bedeutung. Neben der prinzipiell begrüßenswerten Eröffnung unkomplizierter Teilhabemöglichkeiten an gesellschaftspolitischen Debatten, wird es jedoch dann problematisch, wenn diese Medien gezielt für Hetze und Hass instrumentalisiert werden. Eine Herausforderung die sich in den letzten Jahren ebenfalls verfestigt hat, ist die Altersdiskriminierung. Hier müssen wir in Zukunft genauer hinsehen und sensibilisieren. Ein verlässlicher Partner ist dabei die Antidiskriminierungsstelle Steiermark, die seit fünf Jahren einen wesentlichen Beitrag liefert, um jeder Form von Diskriminierung, egal ob gegen zuziehende Menschen, aber auch zwischen und in umgekehrter Form gegen Österreicherinnen und Österreicher, entgegenzutreten."