Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (EGVG) und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark erlaubt sich, zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das EGVG und das VStG geändert werden, Stellung zu nehmen und auf folgende Punkte, die sich in der Beratungspraxis als relevant herausgestellt haben, aufmerksam zu machen:
I) Zu Artikel 1, Punkt 2 (Art. III Abs. 1 Z 2 EGVG):
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark begrüßt, dass mit der geplanten Änderung das sogenannte „Schwarzfahren" erst dann eine Verwaltungsübertretung wird, wenn die betreffende Person den Fahrpreis und einen allfälligen Zuschlag nicht unverzüglich oder - nach einer Identitätsfeststellung - binnen zwei Wochen zahlt.
Zur Identitätsfeststellung geben wir zu bedenken, dass Asylwerberinnen und Asylwerber häufig nur die Aufenthaltsberechtigungskarte, die sogenannte weiße Karte, mit sich führen. Diese Aufenthaltsberechtigungskarte dient laut zuständigem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht als Identitätsnachweis, sondern lediglich als Nachweis des rechtmäßigen Aufenthalts. Daher kommt es auch immer wieder vor, dass die weiße Karte - obgleich sie Namen, Geburtsdatum und Lichtbild enthält - von verschiedenen Organisationen tatsächlich nicht als Identitätsnachweis akzeptiert wird. Da es sich aber jedenfalls um eine mit Lichtbild versehene öffentliche Urkunde handelt, halten wir es für wichtig, dass auch diese Karte ausreicht, um die Identität bei der Zahlungsaufforderung im Beförderungsmittel nachzuweisen. Dadurch wird gewährleistet, dass auch die Gruppe der Asylwerberinnen und Asylwerber in den Genuss der geplanten Verbesserung des Art. III Abs. 1 Z 2 kommen.
II) Zu Artikel 1, Punkt 3 (Art. III Abs. 1 Z 5 EGVG):
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark begrüßt die Erweiterung des Artikel III um die Tatbestände des Befürwortens, Förderns, Aufstachelns, Verbreitens und anderweitig öffentlich verfügbar Machens von schriftlichen Materialien, Bildern oder anderen Darstellungen von Ideen oder Theorien, die Personen aus den Gründen der Rasse [sic!], der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung diskriminieren. Dadurch werden die ohnehin strafrechtlich teilweise schwer verfolgbaren diskriminierenden Äußerungen in den diversen elektronischen sozialen Medien und Plattformen zumindest verwaltungsstrafrechtlich leichter bekämpfbar.
Zu den aufgezählten Gründen schließt sich die Antidiskriminierungsstelle Steiermark der Ansicht des Klagsverbandes an und empfiehlt, den Grund „Rasse" zu streichen, da dieser über die Gründe Hautfarbe und nationale bzw. ethnische Herkunft erfasst ist und der Begriff „Rasse" im deutschen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit rassistischer Diskriminierung aufgrund seiner sachlichen Bedeutungslosigkeit obsolet ist.1 Gleichzeitig wird durch die Weiterverwendung des Begriffs im genannten Zusammenhang das nachweislich falsche und auch rassistische Motiv der Einteilbarkeit von Menschen in verschiedene Rassen reproduziert.
Diese Empfehlung gilt auch für Z. 3 in Abs. 1 des Art III.
Auch zu den aufgezählten Gründen verweisen wir auf die Stellungnahme des Klagsverbandes und empfehlen dementsprechend, die bereits genannten Gründe im Sinne einer antidiskriminatorischen Anwendung um die Gründe „Alter", „Geschlecht", „sexuelle Orientierung" und „Weltanschauung" zu erweitern.
Diese Empfehlung gilt auch für Z. 3 in Abs. 1 des Art. III.
Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum die genannten zu ergänzenden Gründe nicht verwaltungsstrafrechtlich geschützt sein sollen. Durch diese Erweiterung der geschützten Gründe würde das verwaltungsstrafrechtliche Niveau des Diskriminierungsschutzes an das Niveau des Diskriminierungsschutzes im Gleichbehandlungsgesetz (I. und II. Teil) angepasst.
III) Allgemein zu Art. III Abs. 1 Z 3 EGVG
Aus der Beratungsarbeit der Antidiskriminierungsstelle Steiermark geht immer wieder hervor, dass Menschen, die gemäß Art. III Abs. 1 Z 3 diskriminiert oder gehindert werden, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind, eine entsprechende Anzeige nach dem EGVG machen wollen. Aus unserer Perspektive ist die Anwendung dieses Artikels jedoch für die Anzeigenden häufig unbefriedigend, weil Verfahren beispielsweise häufig eingestellt werden. Zudem erfahren die anzeigenden Personen mangels Parteistellung überhaupt nichts über den Verlauf und das Ergebnis des Verfahrens, was insbesondere bei Tatbeständen, die mit Diskriminierung zu tun haben, unbefriedigend ist, da es sich dabei immer auch um eine Verletzung der Persönlichkeit geht.
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Missstandsfeststellung und Empfehlung des Kollegiums der Volksanwaltschaft vom 31.05.20112, in der unter anderem empfohlen wird,
- mit geeigneten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das verwaltungsstrafrechtliche Diskriminierungsverbot gem. Art III Abs. 1 Z 3 EGVG bundesweit einheitlich und wirksam angewandt wird;
- mittels Dienstanweisung und konkreten Erläuterungen sicherzustellen, dass Anzeigen von ethnisch diskriminierenden Zutrittsverweigerungen zu Lokalen und Diskotheken mit allen gebotenen Mitteln nachgegangen wird;
- entsprechend den Empfehlungen von ECRI eine verstärkte Bewusstseinsbildung und verbesserte Schulung für das gesamte im Verwaltungsstrafverfahren tätige Personal sicher zu stellen;
- zu prüfen, ob die Effizienz des verwaltungsstrafrechtlichen Diskriminierungsverbots - ev. durch Schaffung einer Organpartei bzw. der [sic!] Schaffung einer Parteistellung für Diskriminierungsopfer - erhöht werden könnte.
- Um die in zahlreichen internationalen Berichten festgestellte Kluft zwischen der hohen Zahl an Diskriminierungserfahrungen und der geringen Zahl an eingebrachten Beschwerden und Anzeigen zu verringern, sind sensibilisierungsfördernde Maßnahmen - wie z.B. Informationskampagnen - zu starten. Diese sollen darüber informieren, welche Beschränkungen beim Zugang zu Dienstleistungen verbotene Diskriminierungen darstellen und wohin sich Angehörige ethnischer Minderheiten wenden können, um die Beendigung diskriminierenden Verhaltens sowie eine Ahndung von Gesetzesverstößen einzufordern.
1 Vgl. UNESCO-Erklärung über „Rassen" und rassistische Vorurteile vom 27.11.1978 durch die 20. Generalkonferenz der UNESCO sowie die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, RZ 6: „Die Europäische Union weist Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, zurück. Die Verwendung des Begriffs ‚Rasse‘ in dieser Richtlinie impliziert nicht die Akzeptanz solcher Theorien."
2 http://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/atbke/Missstandsfeststellung%20ethn.%20