Stellungnahme zum Thema „Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts“
Eine Bewerberin wird in einem Unterwäschegeschäft mit den Worten „Wir nehmen nur Frauen mit maximal Kleidergröße 38“ abgewiesen, einem Lehrling wird von der Dienstgeberin empfohlen, sie möge abnehmen, und der Kundin eines Rehabilitationszentrums wird eine Gewichtsreduktion für den Fall nahegelegt, dass sie noch einmal eine Kur in diesem Rehabilitationszentrum machen wolle.
Auf Basis dieser und anderer Fälle von Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts, mit denen die Antidiskriminierungsstelle Steiermark befasst wurde, erlaubt sie sich eine Stellungnahme zum Thema „Diskriminierung aufgrund des Körpergewichtes“ abzugeben.
Aus einer repräsentativen Studie des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) für Adipositas-Erkrankungen der Universität Leipzig geht hervor, dass es eine signifikante Korrelation zwischen der beiden Indikatoren „Übergewicht“ und „Diskriminierung“ gibt: Die Ergebnisse dieser Studie lassen den Schluss zu, dass die Intensität der Diskriminierung mit dem Übergewicht der betroffenen Person ansteigt. Speziell im Fokus stehen hierbei vor allem Frauen, welche nahezu dreimal so oft gewichtsbedingte Ungleichbehandlung erleben wie Männer: Während 7,6 Prozent der befragten Männer von gewichtsbedingter Diskriminierung berichteten, waren es bei den befragten Frauen 20,6 Prozent.1
Die Diskriminierung übergewichtiger Personen ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Dies ist vor allem daran erkennbar, dass Menschen, die nicht die Maße des gesellschaftlich konstruierten „idealen Körpers“ aufweisen, eben aufgrund jener Tatsache öffentlich bloßgestellt werden.2 Auch die Leiterin der IFBForschungsgruppe Claudia Luck-Sikorski sieht das „zugrunde liegende Problem [in der] negative[n] Meinung und ablehnende[n] Haltung gegenüber Menschen mit Adipositas. Diese Stigmatisierung führt letztendlich zu Diskriminierung.“3
Dies lässt sich an einem konkreten Fall veranschaulichen, welcher sich erst kürzlich in den sozialen Medien zutrug: Das US-amerikanische Playboy-Model Dani Mathers postete auf Snapchat ein Foto einer übergewichtigen Frau und betitelte es mit den Worten „If I can’t unsee this then you can’t either“. Das zentrale diskriminierende Element dieses Postings ist die Veröffentlichung eines abwertenden Kommentars in Verbindung mit dem Foto von einer nackten übergewichtigen Frau in einer Umkleidekabine eines Fitness-Studios, ohne dass die abgebildete Frau gewusst hat oder zugestimmt hat, fotografiert zu werden. „Wear Your Voice“, ein intersektionales feministisches Online-Medium, bewertet dies klar als sexuelle Belästigung, da ein offensichtlicher Eingriff in die Privatsphäre stattfindet. Die gesellschaftliche Legitimation solcher Handlungen versucht Ashleigh Shackelford, die Autorin des Artikels, folgendermaßen zu begründen:
Ein weiteres Vorurteil mit welchem übergewichtige Menschen zu kämpfen haben, ist jenes, dass sie im Berufsleben weniger Leistungsbereitschaft erbrächten und häufiger krank seien. Zudem gelten sie oft als „nicht repräsentativ“ bzw. „nicht intellektuell“.6
Die aktuell in Österreich – in unterschiedlichem Ausmaß – gesetzlich geschützten Diskriminierungsgründe sind Alter, Behinderung, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Religion und Weltanschauung sowie die sexuelle Orientierung. Im Moment gibt es demnach keine gesetzliche Bestimmung, die Diskriminierung auf Grund von Übergewicht ausdrücklich verbietet. Das heißt, dass übergewichtige Menschen ungleich behandelt werden dürfen, ohne dass gegen eine derartige Diskriminierung mittels der Gleichbehandlungs-gesetze vorgegangen werden könnte. Die einzige Möglichkeit der Betroffenen besteht darin, sich mittels Anzeige wegen Beleidigung zur Wehr zu setzen.7
Europarechtliche Vorgaben haben aber auch in Österreich dazu geführt, dass zumindest im Bereich der Arbeitswelt der Diskriminierungsschutz ausgeweitet wurde. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Entscheidung Rs C-354/13 den Schutz für übergewichtige Personen verbessert, indem er festgestellt hat, dass Übergewicht (=Adipositas) unter gewissen Voraussetzungen als „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG zu verstehen ist.
In dem Urteil heißt es, dass
Der EuGH hat in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass die Ursache der Behinderung für die Entscheidung, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht, vollkommen irrelevant ist.10 Gerade weil im Kontext von Diskriminierungen auf Grund von Übergewicht oft behauptet wird, die betreffenden Personen wären selber schuld an ihrer Fettleibigkeit, ist es wichtig auch rechtlich festzustellen, dass die Schuldfrage in diesem Fall für die Feststellung einer Diskriminierung unerheblich ist. Resümierend kann angemerkt werden, dass es aktuell keinen klaren Grenzwert gibt, welcher Fettleibigkeit als Behinderung definiert. Vielmehr werden Einzelfallprüfungen der sich aus dem starken Übergewicht ergebenden Einschränkungen gefordert, welche jedoch das subjektive Unwohlgefühl außer Acht lassen. Um bei der Vorbereitung einer Kündigung nicht den Eindruck einer Diskriminierung zu erwecken, sollten Unternehmen somit auf eine „klare und jeden Anschein einer Diskriminierung vermeidende Sprache und eine entsprechende Dokumentation in den Unterlagen“11 achten.
Auf Basis dieser und anderer Fälle von Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts, mit denen die Antidiskriminierungsstelle Steiermark befasst wurde, erlaubt sie sich eine Stellungnahme zum Thema „Diskriminierung aufgrund des Körpergewichtes“ abzugeben.
Aus einer repräsentativen Studie des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) für Adipositas-Erkrankungen der Universität Leipzig geht hervor, dass es eine signifikante Korrelation zwischen der beiden Indikatoren „Übergewicht“ und „Diskriminierung“ gibt: Die Ergebnisse dieser Studie lassen den Schluss zu, dass die Intensität der Diskriminierung mit dem Übergewicht der betroffenen Person ansteigt. Speziell im Fokus stehen hierbei vor allem Frauen, welche nahezu dreimal so oft gewichtsbedingte Ungleichbehandlung erleben wie Männer: Während 7,6 Prozent der befragten Männer von gewichtsbedingter Diskriminierung berichteten, waren es bei den befragten Frauen 20,6 Prozent.1
Die Diskriminierung übergewichtiger Personen ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Dies ist vor allem daran erkennbar, dass Menschen, die nicht die Maße des gesellschaftlich konstruierten „idealen Körpers“ aufweisen, eben aufgrund jener Tatsache öffentlich bloßgestellt werden.2 Auch die Leiterin der IFBForschungsgruppe Claudia Luck-Sikorski sieht das „zugrunde liegende Problem [in der] negative[n] Meinung und ablehnende[n] Haltung gegenüber Menschen mit Adipositas. Diese Stigmatisierung führt letztendlich zu Diskriminierung.“3
Dies lässt sich an einem konkreten Fall veranschaulichen, welcher sich erst kürzlich in den sozialen Medien zutrug: Das US-amerikanische Playboy-Model Dani Mathers postete auf Snapchat ein Foto einer übergewichtigen Frau und betitelte es mit den Worten „If I can’t unsee this then you can’t either“. Das zentrale diskriminierende Element dieses Postings ist die Veröffentlichung eines abwertenden Kommentars in Verbindung mit dem Foto von einer nackten übergewichtigen Frau in einer Umkleidekabine eines Fitness-Studios, ohne dass die abgebildete Frau gewusst hat oder zugestimmt hat, fotografiert zu werden. „Wear Your Voice“, ein intersektionales feministisches Online-Medium, bewertet dies klar als sexuelle Belästigung, da ein offensichtlicher Eingriff in die Privatsphäre stattfindet. Die gesellschaftliche Legitimation solcher Handlungen versucht Ashleigh Shackelford, die Autorin des Artikels, folgendermaßen zu begründen:
Watching, recording, and degrading someone while they’re naked because you think they’re ugly and unworthy of privacy and humanity is disgusting. But it’s also common as fuck to see fat bodies — and all beauty-deviant bodies — as public property.4Dazu gehört auch die abstruse Annahme der TäterInnenperspektive, dass die sexuelle Belästigung im Vergleich zur Fettleibigkeit, die das eigentliche „Vergehen“ ist, von geringerer Bedeutung sei.5
Ein weiteres Vorurteil mit welchem übergewichtige Menschen zu kämpfen haben, ist jenes, dass sie im Berufsleben weniger Leistungsbereitschaft erbrächten und häufiger krank seien. Zudem gelten sie oft als „nicht repräsentativ“ bzw. „nicht intellektuell“.6
Die aktuell in Österreich – in unterschiedlichem Ausmaß – gesetzlich geschützten Diskriminierungsgründe sind Alter, Behinderung, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Religion und Weltanschauung sowie die sexuelle Orientierung. Im Moment gibt es demnach keine gesetzliche Bestimmung, die Diskriminierung auf Grund von Übergewicht ausdrücklich verbietet. Das heißt, dass übergewichtige Menschen ungleich behandelt werden dürfen, ohne dass gegen eine derartige Diskriminierung mittels der Gleichbehandlungs-gesetze vorgegangen werden könnte. Die einzige Möglichkeit der Betroffenen besteht darin, sich mittels Anzeige wegen Beleidigung zur Wehr zu setzen.7
Europarechtliche Vorgaben haben aber auch in Österreich dazu geführt, dass zumindest im Bereich der Arbeitswelt der Diskriminierungsschutz ausgeweitet wurde. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Entscheidung Rs C-354/13 den Schutz für übergewichtige Personen verbessert, indem er festgestellt hat, dass Übergewicht (=Adipositas) unter gewissen Voraussetzungen als „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG zu verstehen ist.
In dem Urteil heißt es, dass
die Adipositas eines Arbeitnehmers dann eine „Behinderung2 im Sinne dieser Richtlinie [RL 2000/78/EG] darstellt, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die ihn in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können.8Adipositas kann dementsprechend also nicht per se als „Behinderung“ eingestuft werden, sondern nur dann, wenn damit eine Einschränkung einhergeht, die den Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin an der Teilhabe am Berufsleben hindern kann. In seinem Urteil führte der EuGH dazu aus:
Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Adipositas an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, gehindert wäre, und zwar aufgrund eingeschränkter Mobilität oder dem Auftreten von Krankheits-bildern, die ihn an der Verrichtung seiner Arbeit hindern oder zu einer Beeinträchtigung der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit führen.9Es ist daher immer im Einzelfall zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.
Der EuGH hat in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass die Ursache der Behinderung für die Entscheidung, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht, vollkommen irrelevant ist.10 Gerade weil im Kontext von Diskriminierungen auf Grund von Übergewicht oft behauptet wird, die betreffenden Personen wären selber schuld an ihrer Fettleibigkeit, ist es wichtig auch rechtlich festzustellen, dass die Schuldfrage in diesem Fall für die Feststellung einer Diskriminierung unerheblich ist. Resümierend kann angemerkt werden, dass es aktuell keinen klaren Grenzwert gibt, welcher Fettleibigkeit als Behinderung definiert. Vielmehr werden Einzelfallprüfungen der sich aus dem starken Übergewicht ergebenden Einschränkungen gefordert, welche jedoch das subjektive Unwohlgefühl außer Acht lassen. Um bei der Vorbereitung einer Kündigung nicht den Eindruck einer Diskriminierung zu erwecken, sollten Unternehmen somit auf eine „klare und jeden Anschein einer Diskriminierung vermeidende Sprache und eine entsprechende Dokumentation in den Unterlagen“11 achten.
Empfehlung
Nicht nur die steigende Zahl an Fällen aus der Beratung, sondern auch die Entscheidung des EuGH zeigt einmal mehr, dass Gewichtsdiskriminierung nicht nur stattfindet, sondern eben auch schutzbedürftig ist. Die häufige Verknüpfung von Übergewicht mit Faulheit, Leistungsschwäche, Ungepflegtheit oder Dummheit und die damit verbundene Diskriminierung verlangt einen effektiven Schutz. Da das Körpergewicht jedoch in Österreich noch kein rechtlich geschützter Diskriminierungsgrund ist, wäre es zunächst notwendig, dass der österreichische Gesetzgeber für die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sorgt, um Menschen mit Übergewicht in Fällen von Gewichtsdiskriminierung eine bessere rechtliche Hilfestellung geben zu können.
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark empfiehlt daher, das Körpergewicht als Diskriminierungs-merkmal zu schützen und damit den Tatbestand der Diskriminierung aufgrund des Übergewichtes zu verbieten und nur in sachlich gerechtfertigten Fällen Ausnahmen zu subsumieren.
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark empfiehlt daher, das Körpergewicht als Diskriminierungs-merkmal zu schützen und damit den Tatbestand der Diskriminierung aufgrund des Übergewichtes zu verbieten und nur in sachlich gerechtfertigten Fällen Ausnahmen zu subsumieren.
1 Vgl. derStandard (2015): Die schwere Last von Adipositas. In: http://derstandard.at/2000021922160/Die-schwere-Last-von-Adipositas. [19.08.2016].
2 Vgl. Shackelford, Ashleigh (2016): It’s Time to Face Reality: Fatphobia is Violence and Dani Mathers is a Sexual Predator. In: http://wearyourvoicemag.com/body-politics/dani-mathers-sexual-predator. [19.08.2016].
3 Zitiert aus: derStandard (2015): Die schwere Last von Adipositas. In: http://derstandard.at/2000021922160/Dieschwere-Last-von-Adipositas. [19.08.2016].
4 Shackelford 2016, online in: http://wearyourvoicemag.com/body-politics/dani-mathers-sexual-predator
5 Vgl. ebd.
6 Vgl. Reinisch, Ina (2016): Übergewicht. Schlechte Noten, weniger Geld. In: https://www.betriebsrat.de/portal/nachrichten/interview-natalie-rosenke-uebergewichtige-im-beruf.html. [19.08.2016].
7 Vgl. IFB 2016, online in: betriebsrat.de
8 C-354/13, 53.
9 C-354/13, 60.
10 C-354/13, 55.
11 Marquardt, Cornelia (2014): EuGH-Urteil zu Übergewicht. Adipositas kann vor Kündigung schützen. In: http://www.wiwo.de/politik/europa/eugh-urteil-zu-uebergewicht-adipositas-kann-vor-kuendigung-schuetzen/11144178.html. [19.08.2016].
2 Vgl. Shackelford, Ashleigh (2016): It’s Time to Face Reality: Fatphobia is Violence and Dani Mathers is a Sexual Predator. In: http://wearyourvoicemag.com/body-politics/dani-mathers-sexual-predator. [19.08.2016].
3 Zitiert aus: derStandard (2015): Die schwere Last von Adipositas. In: http://derstandard.at/2000021922160/Dieschwere-Last-von-Adipositas. [19.08.2016].
4 Shackelford 2016, online in: http://wearyourvoicemag.com/body-politics/dani-mathers-sexual-predator
5 Vgl. ebd.
6 Vgl. Reinisch, Ina (2016): Übergewicht. Schlechte Noten, weniger Geld. In: https://www.betriebsrat.de/portal/nachrichten/interview-natalie-rosenke-uebergewichtige-im-beruf.html. [19.08.2016].
7 Vgl. IFB 2016, online in: betriebsrat.de
8 C-354/13, 53.
9 C-354/13, 60.
10 C-354/13, 55.
11 Marquardt, Cornelia (2014): EuGH-Urteil zu Übergewicht. Adipositas kann vor Kündigung schützen. In: http://www.wiwo.de/politik/europa/eugh-urteil-zu-uebergewicht-adipositas-kann-vor-kuendigung-schuetzen/11144178.html. [19.08.2016].