Stellungnahme: Verweigerung des grüßenden Handreichens aus religiösen Gründen
Ausgehend von der kontroversen Diskussion um einen Fall, bei dem ein Vater einer Lehrerin seiner Tochter aus religiösen Gründen nicht die Hand gereicht hat und diese Lehrerin den Vater deswegen verklagen will,1 erlaubt sich die Antidiskriminierungsstelle Steiermark zur Frage Stellung zu nehmen, ob die Verweigerung des zwischengeschlechtlichen Händeschüttelns eine sexistische Belästigung ist.
Ob die Verweigerung des Händeschüttelns eine sexistische Belästigung ist oder nicht, hängt davon ab, unter welchen Bedingungen das Händeschütteln verweigert wurde: Wenn der Verweigerer höflich und um Verständnis bemüht versucht, seinem Gegenüber zu erklären, warum es ihm nicht möglich ist, dessen Hand zu schütteln, wird diese Person möglicherweise nicht in ihrer Würde verletzt. Wenn der Verweigerer seinem Gegenüber die Hand verweigert und gleichzeitig eine geringschätzende oder missachtende Geste oder verbale Handlung setzt, wird die Person, der das Händeschütteln verweigert wird, möglicherweise in ihrer Würde verletzt. Die eigentliche Belästigung oder Nicht-Belästigung entsteht somit in erster Linie durch den Begleitrahmen in dem die Verweigerung stattfindet. Ein grundsätzlicher Rechtsanspruch auf das Handreichen zum Zweck des Grußes ist uns nicht bekannt. Außerdem ist festzuhalten, dass es auf die Wahrnehmung der belästigten Person ankommt, ob sie die Belästigung bereits so intensiv empfunden hat, dass sie unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist.2 Dabei wird aber davon ausgegangen, dass ein die Würde verletzendes Verhalten ein gewisses Mindestmaß an Intensität voraussetzt.3
Zu prüfen bleibt zudem, ob die Verweigerung des Handreichens als Handlung im Rahmen einer Religionsausübung zu bewerten ist, wodurch diese Handlung im Zusammenhang mit Artikel 9 der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) stünde. Dies hätte wiederum zur Folge, dass ein Urteil, das die Verweigerung des Händereichens als sexistische Belästigung beurteilen würde, Menschen, die dies aus religiösen Gründen tun, in ihrem Recht auf freie Religionsausübung einschränken würde. Geschützt wird gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK „die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen“. Der Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 2 EMRK ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese Einschränkungen „gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“
Im Koran selbst findet sich keine Regelung, die ausdrücklich das Händeschütteln zwischen Mann und Frau thematisiert. Manche Vertreter des muslimischen Glaubens leiten aus der Sure 17 Vers 324 jedoch ab, dass durch das Händeschütteln mit einer Frau der erste Schritt zur “Unzucht” gesetzt wird. Andere meinen, dass das Berühren von solchen Körperstellen, die keiner Verschleierungspflicht unterliegen, sehr wohl gestattet sei.5
Innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft gibt es demnach in Bezug auf das Händeschütteln zwischen Frauen und Männern keine eindeutige Regelung. Der Islam stützt sich in erster Linie auf zwei Quellen: den Koran und die Sunna. Im Koran sind die durch den Propheten Mohammed von Gott empfangenen Offenbarungen niedergeschrieben. Die Sunna – die überlieferten Gewohnheiten des Propheten – steht als Richtlinie für das Leben von gläubigen muslimischen Menschen gleichbedeutend neben dem Koran. Diese Überlieferung erfolgte zunächst mündlich und wurde später in den so genannten Hadith-Sammlungen (Sammlungen der Aussprüche des Propheten) schriftlich festgehalten. In den Rechtsquellen besteht jedoch keine Übereinstimmung, ganz abgesehen von der Differenz zu schiitischen und sunnitischen Auffassungen.6
Daher bleibt die Frage offen, ob das Verweigern des Handreichens als religiöse Sitte betrachtet werden kann.
Mangels entsprechender verwertbarer Rechtsprechung ist nicht eindeutig beurteilbar, ob jemandes Recht auf Nicht-Diskriminierung durch die religiös motivierte Verweigerung des Handreichens verletzt wird. Umso wichtiger wäre es, dass diese Frage anhand eines konkreten Falles ausjudiziert wird, in dem die beteiligte Frau die verweigerte Handreichung als Würdeverletzung empfunden hat. Dazu ist anzumerken, dass die Menschenwürde nicht als selbständiges Menschenrecht im Text der EMRK verankert ist, sondern nur im Wege der Spruchpraxis unsystematisch jeder Konventionsgarantie zugrunde gelegt wird. Demnach wird die Menschenwürde vom Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Grundessenz der EMRK betrachtet.7 Dies hat der EGMR auch in der Entscheidung Christine Goodwine vs. UK festgestellt, wo es heißt, dass „der Wesenskern der Konvention die Achtung vor der Würde und der Freiheit des Menschen ist“.8
Die möglichen rechtlichen Schritte:
Um die Möglichkeit zu schaffen, die Hintergründe für die Verweigerung des Handreichens zu verstehen, ist es wohl hilfreich und notwendig, in einem höflichen Rahmen zu erklären, dass – bei allem Respekt für das Gegenüber – das Grüßen durch Händeschütteln aus religiösen Gründen nicht möglich ist.
Als „Ersatz“ für das grüßende Händeschütteln bietet sich an, die rechte Hand auf das Herz zu legen und die Frau mit leicht nickendem Kopf zu begrüßen.9 Dies ist eine respektvolle Geste, die keinen Körperkontakt oder eine besondere physische Nähe erfordert. Gleichzeitig vermag diese Geste die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass das verweigerte Handreichen als sexistische Belästigung empfunden wird.
Ob die Verweigerung des Händeschüttelns eine sexistische Belästigung ist oder nicht, hängt davon ab, unter welchen Bedingungen das Händeschütteln verweigert wurde: Wenn der Verweigerer höflich und um Verständnis bemüht versucht, seinem Gegenüber zu erklären, warum es ihm nicht möglich ist, dessen Hand zu schütteln, wird diese Person möglicherweise nicht in ihrer Würde verletzt. Wenn der Verweigerer seinem Gegenüber die Hand verweigert und gleichzeitig eine geringschätzende oder missachtende Geste oder verbale Handlung setzt, wird die Person, der das Händeschütteln verweigert wird, möglicherweise in ihrer Würde verletzt. Die eigentliche Belästigung oder Nicht-Belästigung entsteht somit in erster Linie durch den Begleitrahmen in dem die Verweigerung stattfindet. Ein grundsätzlicher Rechtsanspruch auf das Handreichen zum Zweck des Grußes ist uns nicht bekannt. Außerdem ist festzuhalten, dass es auf die Wahrnehmung der belästigten Person ankommt, ob sie die Belästigung bereits so intensiv empfunden hat, dass sie unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist.2 Dabei wird aber davon ausgegangen, dass ein die Würde verletzendes Verhalten ein gewisses Mindestmaß an Intensität voraussetzt.3
Zu prüfen bleibt zudem, ob die Verweigerung des Handreichens als Handlung im Rahmen einer Religionsausübung zu bewerten ist, wodurch diese Handlung im Zusammenhang mit Artikel 9 der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) stünde. Dies hätte wiederum zur Folge, dass ein Urteil, das die Verweigerung des Händereichens als sexistische Belästigung beurteilen würde, Menschen, die dies aus religiösen Gründen tun, in ihrem Recht auf freie Religionsausübung einschränken würde. Geschützt wird gemäß Art. 9 Abs. 1 EMRK „die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen“. Der Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 2 EMRK ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese Einschränkungen „gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“
Im Koran selbst findet sich keine Regelung, die ausdrücklich das Händeschütteln zwischen Mann und Frau thematisiert. Manche Vertreter des muslimischen Glaubens leiten aus der Sure 17 Vers 324 jedoch ab, dass durch das Händeschütteln mit einer Frau der erste Schritt zur “Unzucht” gesetzt wird. Andere meinen, dass das Berühren von solchen Körperstellen, die keiner Verschleierungspflicht unterliegen, sehr wohl gestattet sei.5
Innerhalb der muslimischen Glaubensgemeinschaft gibt es demnach in Bezug auf das Händeschütteln zwischen Frauen und Männern keine eindeutige Regelung. Der Islam stützt sich in erster Linie auf zwei Quellen: den Koran und die Sunna. Im Koran sind die durch den Propheten Mohammed von Gott empfangenen Offenbarungen niedergeschrieben. Die Sunna – die überlieferten Gewohnheiten des Propheten – steht als Richtlinie für das Leben von gläubigen muslimischen Menschen gleichbedeutend neben dem Koran. Diese Überlieferung erfolgte zunächst mündlich und wurde später in den so genannten Hadith-Sammlungen (Sammlungen der Aussprüche des Propheten) schriftlich festgehalten. In den Rechtsquellen besteht jedoch keine Übereinstimmung, ganz abgesehen von der Differenz zu schiitischen und sunnitischen Auffassungen.6
Daher bleibt die Frage offen, ob das Verweigern des Handreichens als religiöse Sitte betrachtet werden kann.
Mangels entsprechender verwertbarer Rechtsprechung ist nicht eindeutig beurteilbar, ob jemandes Recht auf Nicht-Diskriminierung durch die religiös motivierte Verweigerung des Handreichens verletzt wird. Umso wichtiger wäre es, dass diese Frage anhand eines konkreten Falles ausjudiziert wird, in dem die beteiligte Frau die verweigerte Handreichung als Würdeverletzung empfunden hat. Dazu ist anzumerken, dass die Menschenwürde nicht als selbständiges Menschenrecht im Text der EMRK verankert ist, sondern nur im Wege der Spruchpraxis unsystematisch jeder Konventionsgarantie zugrunde gelegt wird. Demnach wird die Menschenwürde vom Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Grundessenz der EMRK betrachtet.7 Dies hat der EGMR auch in der Entscheidung Christine Goodwine vs. UK festgestellt, wo es heißt, dass „der Wesenskern der Konvention die Achtung vor der Würde und der Freiheit des Menschen ist“.8
Die möglichen rechtlichen Schritte:
- Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 20 Abs. 2 Bundes Gleichbehandlungsgesetz: Hier ist zu unterscheiden, ob die Lehrerin Beamtin oder vertragliche Dienstnehmerin ist. Wenn sie Beamtin ist, kann sie innerhalb einer Frist von 3 Jahren einen Antrag bei der für sie zuständigen Dienstbehörde stellen und ihren Anspruch auch gerichtlich geltend zu machen. Wenn sie vertragliche Dienstnehmerin ist, kann sie ihre Ansprüche innerhalb einer Frist von 3 Jahren gerichtlich geltend machen.
- Unabhängig von der Art des Dienstverhältnisses kann sich die Betroffene an die Bundes-Gleichbehandlungskommission wenden und ein Gutachten gemäß § 23 Abs. 2 a verlangen, in dem festgestellt wird, ob es sich um eine Diskriminierung gehandelt hat oder nicht. Gemäß § 19 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz hat die Betroffene Anrecht auf Ersatz des erlittenen Schadens, mindestens jedoch € 1000.
Um die Möglichkeit zu schaffen, die Hintergründe für die Verweigerung des Handreichens zu verstehen, ist es wohl hilfreich und notwendig, in einem höflichen Rahmen zu erklären, dass – bei allem Respekt für das Gegenüber – das Grüßen durch Händeschütteln aus religiösen Gründen nicht möglich ist.
Als „Ersatz“ für das grüßende Händeschütteln bietet sich an, die rechte Hand auf das Herz zu legen und die Frau mit leicht nickendem Kopf zu begrüßen.9 Dies ist eine respektvolle Geste, die keinen Körperkontakt oder eine besondere physische Nähe erfordert. Gleichzeitig vermag diese Geste die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass das verweigerte Handreichen als sexistische Belästigung empfunden wird.
1 Vgl. Artikel „Handschlag verweigert. Lehrerin will muslimischen Vater klagen.“ Kleine Zeitung vom 23.01.2016.
2 Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung - Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU (2014) S. 29.
3 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 24.
4 Sure 17 Vers 32 : “Und kommt der Unzucht nicht nahe; seht, das ist eine Schändlichkeit und übler Weg”
5 Martina Schöterl: Religiöse und kulturelle Konflikte von Muslimen in Deutschland und die Frage nach der Integration, Hamburg (2014) S. 69.
6 Hans-Georg Ebert in: Der Islam in der Gegenwart (Ende/Steinbach Hrsg.) München (2005) S. 200.
7 Kurt Seelmann (Hrsg.), Menschenwürde als Rechtsbegriff Stuttgart (2004) S. 143
8 ÖJZ 2003, 766.
9 Edwin Hoffman in Interkulturelle Gesprächsführung: Theorie und Praxis des TOPOI-Modells, Wiesbaden (2015) S. 211; http://www.uni-regensburg.de/sprache-literatur-kultur/romanistik/medien/arabische_begegnungen.pdf, abgerufen am 28.1.2016
2 Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung - Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU (2014) S. 29.
3 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 24.
4 Sure 17 Vers 32 : “Und kommt der Unzucht nicht nahe; seht, das ist eine Schändlichkeit und übler Weg”
5 Martina Schöterl: Religiöse und kulturelle Konflikte von Muslimen in Deutschland und die Frage nach der Integration, Hamburg (2014) S. 69.
6 Hans-Georg Ebert in: Der Islam in der Gegenwart (Ende/Steinbach Hrsg.) München (2005) S. 200.
7 Kurt Seelmann (Hrsg.), Menschenwürde als Rechtsbegriff Stuttgart (2004) S. 143
8 ÖJZ 2003, 766.
9 Edwin Hoffman in Interkulturelle Gesprächsführung: Theorie und Praxis des TOPOI-Modells, Wiesbaden (2015) S. 211; http://www.uni-regensburg.de/sprache-literatur-kultur/romanistik/medien/arabische_begegnungen.pdf, abgerufen am 28.1.2016