Stellungnahme zum § 218 StGB: „Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen“
Aufgrund der aktuellen Debatte über sexuelle Gewalt und Belästigungen im öffentlichen Raum möchte auch die Antidiskriminierungsstelle Steiermark zur Thematik der Rechte von Opfern sexueller Gewalt Stellung nehmen:
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark kritisierte bereits an anderer Stelle, dass Opfer von sexueller Gewalt im öffentlichen Raum nicht ausreichend geschützt sind.1
Mit dem neuen Strafrechtsänderungsgesetz (in Kraft seit 1.1.2016) wurde dem Straftatbestand der sexuellen Belästigung ein neuer Absatz 1a) hinzugefügt.
Der neu eingefügte Absatz sieht nun vor, dass auch dann zu bestrafen ist, wenn eine Person „durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt wird.“ Nach wie vor knüpft Abs. 1 des § 218 an den Begriff der „geschlechtlichen Handlung“ an und schließt somit jedenfalls Handlungen ein, bei denen es zu einer nicht bloß flüchtigen sexualbezogenen Berührung der zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörigen Körperpartien des Opfers oder Täters mit dem Körper des oder der anderen kommt.
Dem Ministerialentwurf zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015 wurde bedauerlicherweise nicht Folge geleistet. Dieser schlägt für Abs. 1 des § 218 folgenden Text vor:
„Wer eine Person 1. Durch eine geschlechtliche oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung an ihr oder 2. Durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“
Die Differenzierung zwischen geschlechtlichen Handlungen und Handlungen, die mit solchen vergleichbar sind und der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörig sind, hätte es der Rechtsprechung einfach gemacht, beispielsweise auch unerwünschte und damit belästigende Berührungen am Gesäß unter dieser Regelung zu subsumieren.
Nach der derzeit geltenden Fassung des Abs. 1, die der alten Fassung vor der Novellierung entspricht, nimmt die Rechtsprechung einen objektiven Sexualbezug nur dann an, wenn es zu einer Berührung der unmittelbaren Geschlechtsteile kommt. Das Gesäß wird dagegen nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen gezählt. (RIS-Justiz RS0095204)
Zwar waren in der Stammfassung des Strafgesetzbuchs Berührungen am Gesäß auch miterfasst, jedoch nahm der OGH den ungenauen Wortlaut des § 218 zum Anlass, in seiner Spruchpraxis eine Einschränkung der Strafbarkeit vorzunehmen und solche Berührungen nicht anzuerkennen. Erst dieses Verhalten machte die Aufnahme des Abs. 1a notwendig. Bei diesem wird gegenüber den Begründungstexten des OGH die Unmittelbarkeit gegen die Zuordenbarkeit ersetzt. Um es dem OGH zu erleichtern, gemäß der Intention dieses Absatzes zu entscheiden, bedürfte es einer deutlich klareren Formulierung. Diese könnte beispielsweise die Ergänzung des folgenden Satzes sein: „Dazu zählen insbesondere Berührungen am Gesäß und den Oberschenkeln.” Dies hätte auch den zusätzlichen Vorteil, dass es auch für die Rechtsunterworfenen eindeutiger wäre, was hier genau angeordnet wird.
Das Schutzniveau in Bezug auf sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum ist somit nach den aktuellen strafrechtlichen Bestimmungen um einiges geringer als bei Belästigungen in der Arbeitswelt.
Im Gleichbehandlungsrecht wird nämlich das Berühren des Gesäßes sehr wohl der sexuellen Sphäre zugerechnet.2 Durch eine solche Berührung kann daher der auf ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten abstellende – mit ideellem Schadenersatz sanktionierte – Diskriminierungs-tatbestand der sexuellen Belästigung verwirklicht werden.3 Zudem erfassen die Tatbestände nach dem Gleichbehandlungsrecht sowohl verbale als auch nonverbale Belästigungen mit Sexualbezug ohne Körperkontakt.
Die enge Definition sowie Auslegung der sexuellen Belästigung im Strafrecht ist seitens der Antidiskriminierungsstelle Steiermark weder nachvollziehbar noch gerechtfertigt. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum die weibliche Brust und der Intimbereich als zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörig angesehen werden, der Gesäßbereich jedoch nicht. Unerwünschte und daher belästigende Berührungen in dieser Körperregion stellen keinen geringeren Eingriff in die persönliche Sphäre dar als unerwünschte und daher belästigende Berührungen an der weiblichen Brust oder im Intimbereich.
Um das Schutzniveau für Opfer sexueller Gewalt zu erhöhen und damit ein klares Zeichen gegen sexuelle Gewalt und Belästigung im öffentlichen Raum zu setzen, empfehlen wir dringend eine Novellierung des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung gemäß § 218 StGB.
Abgesehen von der Forderung nach einem stärkeren strafrechtlichen Schutz, stellt sich die Frage, was zusätzlich getan werden kann. Die Gesellschaft muss in Bezug auf Belästigungen und Gewalt gegen Frauen besser sensibilisiert werden. Damit kann einer Bagatellisierung solcher Delikte entgegengewirkt werden. Der Appell richtet sich einerseits an betroffene Frauen Vorfälle zu melden oder zur Anzeige zu bringen und andererseits an Zeugen und Zeuginnen zivilcouragiert zu handeln und nicht wegzuschauen. Frauen dürfen sich keinesfalls verunsichern lassen, sondern müssen weiterhin selbstbewusst auftreten.
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark kritisierte bereits an anderer Stelle, dass Opfer von sexueller Gewalt im öffentlichen Raum nicht ausreichend geschützt sind.1
Mit dem neuen Strafrechtsänderungsgesetz (in Kraft seit 1.1.2016) wurde dem Straftatbestand der sexuellen Belästigung ein neuer Absatz 1a) hinzugefügt.
Der neu eingefügte Absatz sieht nun vor, dass auch dann zu bestrafen ist, wenn eine Person „durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt wird.“ Nach wie vor knüpft Abs. 1 des § 218 an den Begriff der „geschlechtlichen Handlung“ an und schließt somit jedenfalls Handlungen ein, bei denen es zu einer nicht bloß flüchtigen sexualbezogenen Berührung der zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörigen Körperpartien des Opfers oder Täters mit dem Körper des oder der anderen kommt.
Dem Ministerialentwurf zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015 wurde bedauerlicherweise nicht Folge geleistet. Dieser schlägt für Abs. 1 des § 218 folgenden Text vor:
„Wer eine Person 1. Durch eine geschlechtliche oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung an ihr oder 2. Durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“
Die Differenzierung zwischen geschlechtlichen Handlungen und Handlungen, die mit solchen vergleichbar sind und der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörig sind, hätte es der Rechtsprechung einfach gemacht, beispielsweise auch unerwünschte und damit belästigende Berührungen am Gesäß unter dieser Regelung zu subsumieren.
Nach der derzeit geltenden Fassung des Abs. 1, die der alten Fassung vor der Novellierung entspricht, nimmt die Rechtsprechung einen objektiven Sexualbezug nur dann an, wenn es zu einer Berührung der unmittelbaren Geschlechtsteile kommt. Das Gesäß wird dagegen nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen gezählt. (RIS-Justiz RS0095204)
Zwar waren in der Stammfassung des Strafgesetzbuchs Berührungen am Gesäß auch miterfasst, jedoch nahm der OGH den ungenauen Wortlaut des § 218 zum Anlass, in seiner Spruchpraxis eine Einschränkung der Strafbarkeit vorzunehmen und solche Berührungen nicht anzuerkennen. Erst dieses Verhalten machte die Aufnahme des Abs. 1a notwendig. Bei diesem wird gegenüber den Begründungstexten des OGH die Unmittelbarkeit gegen die Zuordenbarkeit ersetzt. Um es dem OGH zu erleichtern, gemäß der Intention dieses Absatzes zu entscheiden, bedürfte es einer deutlich klareren Formulierung. Diese könnte beispielsweise die Ergänzung des folgenden Satzes sein: „Dazu zählen insbesondere Berührungen am Gesäß und den Oberschenkeln.” Dies hätte auch den zusätzlichen Vorteil, dass es auch für die Rechtsunterworfenen eindeutiger wäre, was hier genau angeordnet wird.
Das Schutzniveau in Bezug auf sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum ist somit nach den aktuellen strafrechtlichen Bestimmungen um einiges geringer als bei Belästigungen in der Arbeitswelt.
Im Gleichbehandlungsrecht wird nämlich das Berühren des Gesäßes sehr wohl der sexuellen Sphäre zugerechnet.2 Durch eine solche Berührung kann daher der auf ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten abstellende – mit ideellem Schadenersatz sanktionierte – Diskriminierungs-tatbestand der sexuellen Belästigung verwirklicht werden.3 Zudem erfassen die Tatbestände nach dem Gleichbehandlungsrecht sowohl verbale als auch nonverbale Belästigungen mit Sexualbezug ohne Körperkontakt.
Die enge Definition sowie Auslegung der sexuellen Belästigung im Strafrecht ist seitens der Antidiskriminierungsstelle Steiermark weder nachvollziehbar noch gerechtfertigt. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum die weibliche Brust und der Intimbereich als zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörig angesehen werden, der Gesäßbereich jedoch nicht. Unerwünschte und daher belästigende Berührungen in dieser Körperregion stellen keinen geringeren Eingriff in die persönliche Sphäre dar als unerwünschte und daher belästigende Berührungen an der weiblichen Brust oder im Intimbereich.
Um das Schutzniveau für Opfer sexueller Gewalt zu erhöhen und damit ein klares Zeichen gegen sexuelle Gewalt und Belästigung im öffentlichen Raum zu setzen, empfehlen wir dringend eine Novellierung des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung gemäß § 218 StGB.
Abgesehen von der Forderung nach einem stärkeren strafrechtlichen Schutz, stellt sich die Frage, was zusätzlich getan werden kann. Die Gesellschaft muss in Bezug auf Belästigungen und Gewalt gegen Frauen besser sensibilisiert werden. Damit kann einer Bagatellisierung solcher Delikte entgegengewirkt werden. Der Appell richtet sich einerseits an betroffene Frauen Vorfälle zu melden oder zur Anzeige zu bringen und andererseits an Zeugen und Zeuginnen zivilcouragiert zu handeln und nicht wegzuschauen. Frauen dürfen sich keinesfalls verunsichern lassen, sondern müssen weiterhin selbstbewusst auftreten.
1 Vgl.: Presseausendung der Antidiskriminierungsstelle Steiermark vom 08.05.2013: Download unter: http://www.antidiskriminierungsstelle.steiermark.at/cms/beitrag/11865927/99356572/.
2 Vgl. Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz, 321; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 mRz 20; 9 ObA 292/99b.
3 Vgl. § 6 GlBG, § 8 B-GlBG.
2 Vgl. Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz, 321; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 mRz 20; 9 ObA 292/99b.
3 Vgl. § 6 GlBG, § 8 B-GlBG.